Geisterstunde in Los Angeles
Zeichen, die der Himmel gesetzt hatte.
»Ja!« schrie ein Typ, der aussah wie ein Guru. »Die Apokalypse hat ihre ersten Spuren gezeigt. Das ist der Anfang vom Ende. Betet, Fremde, damit wir davonkommen.«
Keiner kümmerte sich um den Rufer, auch dann nicht, als er auf die Knie fiel und seine Hände rang.
Bill schaute mich über das Wagendach hinweg an. »John, da liegt etwas in der Luft. Die kommen wieder.«
»Das glaube ich auch.«
Buckly starrte in den Himmel. Er wollte erkennen, wo sich die Geister hin verteilt hatten. Es war nichts zu sehen. Die Dunkelheit des Firmaments hatte sie verschluckt.
Scharf holte er Luft. »Weshalb sind sie gekommen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Galt das uns?«
»Nicht nur. Giesen will L. A. unter seine Knute zwingen. Er hat doch die Geister geholt.«
»Wenn das wahr wird, kann man für nichts garantieren.«
Das konnte man wirklich nicht, denn in der nächsten Sekunde war alles anders.
Sämtliche Lichter erloschen! Der weltberühmte Sunset Boulevard lag im Finstern…
Das hatte es sicherlich noch nie gegeben. Der Strip lag in tiefster Dunkelheit, und niemand hatte eine Erklärung dafür. Die Menschen hier liebten das künstliche Licht. Nur so fanden sie sich im Finstern zurecht. Nun aber standen sie da, ohne etwas tun zu können, und sie beschlich allmählich das Gefühl der Angst, das auch mich nicht ausließ. Es wurde nicht schlagartig finster, denn die Scheinwerfer der Fahrzeuge erloschen nur sehr langsam. Zu vergleichen mit dem Vorgang, wenn im Kino allmählich das Licht ausging und sich die Spannung auf den Film verdichtete.
»Das ist doch ein Gag!« hörte ich eine Männerstimme.
»Nein, keiner.«
»Was dann?«
»Weiß ich nicht.«
Die weiteren Worte des Dialogs gingen im allgemeinen Lärm unter. Jeder hatte eine Erklärung parat, aber niemand traf den Kern. Wir hörten die schrillen Geräusche von Trillerpfeifen. Sicherlich waren es Polizisten, die sich auf diese Art und Weise verständigten, obwohl es keinen Sinn hatte, auch sie würden an den Tatsachen nichts ändern können. In New York war mal vor Jahren der Strom ausgefallen. Da hatte Manhattan im Dunkeln gelegen. In New York hatte es sich um einen technischen Defekt gehandelt, hier aber ging ich davon aus, daß die Magie die Technik besiegt hatte.
Mein Blick flog den Strip hoch. Die stillstehenden Wagen bildeten zwei Reihen. Sie kamen mir vor wie buckelhafte Wesen, da die Fahrzeuge nur selten die gleiche Höhe besaßen. Zwichen ihnen bewegten sich die Menschen, die ihren ersten Schreck überwunden hatten. Ich aber rechnete damit, daß es sich bei diesem Vorgang nur um den Beginn einer Kette unheimlicher Vorgänge handelte.
Dahinter steckte als unsichtbarer Dirigent Gerry Giesen alias Dr. Horror. Jemand erinnerte sich auch noch außer mir an den Vorfall von der Ostküste. »Freunde, wie damals in New York.« Der Sprecher hüpfte auf das Dach eines Wagens. »Das müssen wir ausnutzen. Kommt zu mir, wir sind eine Familie. Laßt uns zufrieden sein. Wir werden uns lieben, ha, ha…«
Seine weiteren Worte gingen im Geschrei unter. Bill rannte um den Mercedes. »Und was sagst du?« fragte er mich.
»Man will uns wohl nicht weiterkommen lassen.«
»Kann sein.«
Suko rief querüber den Wagen hinweg Tudor Buckly seine Frage zu.
»Können wir zu Fuß das Ziel erreichen?«
»Schon, aber das dauert.«
»Spielt keine Rolle. Wir müssen hin. Dort befindet sich das Zentrum.«
»Und wenn hier inzwischen etwas passiert?« fragte ich.
»Mal den Teufel nicht an die Wand, John.«
»Das brauche ich nicht. Ich bin fest davon überzeugt, daß noch einiges auf uns zukommt.«
Die Augen hatten sich inzwischen an die Veränderung gewöhnt. Ich machte wieder Einzelheiten aus. Erste Taschenlampen gaben lange Lichtfinger ab, huschten über Autos, Körper und die wachsbleichen Gesichter der umherstehenden Menschen. Niemand wußte so recht, was er unternehmen wollte. Da war auch die Polizei ratlos. Ein Hund lief über den Gehsteig. Ein kleiner schwarzer Schnauzer. Zufällig verfolgte ich ihn, weil er sich sehr schnell bewegte. Er drückte sich in einen schmalen Hauseingang. Dahinter befand sich irgendeine Vergnügungsstätte, aus der ich Sekunden später gellende Schreie hörte.
»Bleibt ihr hier!« schrie ich den Freunden zu und setzte mich schon in Bewegung. Ich stieß einige Leute zur Seite, die die Schreie auch vernommen hatten, stehengeblieben waren und lauschten, aber nicht eingriffen.
Mit der rechten Schulter
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