Geisterstunde
auf die Nerven. Er ähnelte zu sehr einem Mausoleum. Im anderen Flügel lag sein Besitzer im Sterben, und das ganze Haus schien mit ihm unterzugehen. Dellwood öffnete eine Tür. »Was wird aus Ihnen, wenn der General stirbt?« fragte ich.
»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, Sir. Ich erwarte nicht, daß der General bald von uns geht. Er wird diese Krankheit überstehen. Seine Vorfahren sind alle weit über achtzig und manche sogar neunzig geworden.«
Nachtigall, ick hör dir trapsen. Dellwood hatte keine rosige Zukunft vor sich. Die Welt konnte nicht viel mit Berufssoldaten anfangen, deren beste Jahre bereits verflossen waren.
Dabei drängte sich mir erneut die Frage auf, warum irgend jemand in diesem Haus Interesse daran haben sollte, daß Stantnor seine Essensmarken vorzeitig abgab. Logisch betrachtet, kamen mir die Vermutungen des Schwarzen Peter höchst unwahrscheinlich vor.
Aber wenn jemand jemand anderen umlegen will, regiert dabei selten die Logik.
Ich hatte die Dinge bis jetzt noch nicht weiter untersucht. Ich würde mich jedes Urteils enthalten, bis ich ein bißchen herumgegraben und die Ohren aufgesperrt hatte.
»Wie steht’s mit den Mahlzeiten, Dellwood? Ich bin auf ein formelles Abendessen nicht eingestellt.«
»Wir ziehen uns zum Dinner nicht mehr um, seit der General erkrankt ist, Sir. Frühstück gibt es um sechs, Lunch um elf in der Küche. Das Dinner wird um fünf im Eßzimmer serviert, ganz zwanglos. Gäste und Angestellte essen zusammen, falls Ihnen das ein Problem bereiten sollte.«
»Tut es nicht. Es lebe die Gleichberechtigung. Ich halte mich für genauso gut wie Euch. Den Lunch habe ich wohl schon verpaßt, was?« Wenn ich mich an den Terminplan der Eingeborenen halten sollte, würde mich das kaum sehr glücklich machen. Die sechste Morgenstunde erlebe ich nur dann bei Bewußtsein, wenn ich noch nicht ins Bett gegangen bin. Die Schwierigkeit mit dem Morgen ist, daß er so verdammt früh kommt.
»Ich bin sicher, daß wir diesmal etwas arrangieren können. Ich teile der Köchin mit, daß wir einen neuen Gast haben.«
»Danke. Ich mache mich kurz frisch, dann komme ich runter.«
»Sehr gut, Sir. Sollte etwas nicht zu Ihrer Zufriedenheit sein, lassen Sie es mich wissen. Ich werde dafür sorgen, daß alle Probleme beseitigt werden.«
Das glaubte ich ihm aufs Wort. »Klar. Danke.« Ich wartete, bis er gegangen war, und schloß die Tür.
4. Kapitel
Ich konnte mir nicht vorstellen, daß die Sache schieflaufen sollte, wenn ich mir einige Szenarien vorstellte, die ich schon überstanden hatte. Dellwood hatte mich in einer Suite untergebracht, die größer war als das Erdgeschoß meines Hauses.
Der Raum war mit Rosenholz getäfelt, und die Deckenbalken bestanden aus Mahagoni. Eine Wand verschwand hinter Buchregalen, und die Möbel hätten für einen ganzen Zug Marines ausgereicht: ein Eßtisch mit vier Stühlen, ein Schreibtisch, verschiedene Sitzgelegenheiten, und dann gab es noch ein Glasfenster mit Bleifassung, das leider nach Norden zeigte.
An dem Teppich mußte eine alte Frau die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens gewebt haben – vor etwa dreihundert Jahren. Die Lampen hätten ausgereicht, um mein ganzes Haus auszuleuchten. Und über mir hing ein Kronleuchter mit einem ganzen Haufen Kerzen, die im Moment allerdings nicht brannten.
So lebte also die andere Hälfte der Menschheit.
Von dem riesigen Zimmer gingen zwei Türen ab. Auf gut Glück probierte ich es mit einer. Was war ich doch für ein Schlauköpfchen! Ich hatte auf Anhieb das Schlafzimmer gefunden.
Es war genauso prächtig wie der Rest. Und ich hatte noch nie ein so großes und weiches Bett gesehen.
Ich sah mich nach Verstecken um, verstaute einige Teile meiner Ausrüstung sorgfältig und legte andere so offen hin, daß man möglicherweise nicht mehr nach dem Rest suchte. Das wichtigste trug ich am Körper.
Wahrscheinlich war es besser, in die Küche zu gehen, solange die Angestellten noch Verständnis hatten. Erst einmal mußte ich mein körpereigenes Kraftwerk hochfahren, dann konnte ich wie ein Geist herumwandeln und mich umsehen.
In der Küche hatten in besseren Zeiten sicher ein Dutzend Angestellte herumgefuhrwerkt, darunter Spezialisten wie Bäcker und Patissiers.
Als ich hereinkam, war nur eine Person anwesend, eine uralte Mischlings-Frau, deren nichtmenschliche Hälfte Troll zu sein schien. Sie war hutzelig, eingeschrumpft und ging vornübergebeugt, trotzdem war sie noch fast
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