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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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wünschst dir gleich ein Geständnis, Aladin?« Morpheus schüttelte den Kopf. »Wenn du so raffiniert wirst, dann überholst du dich immer selbst. Er hat dir einen Dolch und eine Kef-Sidhe-Würgeschnur dagelassen. Wie exotisch hättest du es denn gern? Ich hab dir doch schon gesagt, wie selten so eine Kordel ist. Und wie viele Dolche wie diesen hast du schon gesehen?«
    Das Messer hatte eine dreißig Zentimeter lange Stahlklinge, was an sich schon ungewöhnlich war. Und der Griff machte es noch interessanter. Er war aus schwarzer Jade. Keine Verzierung, nur einfach Jade. Aber an der breitesten Stelle, wo normalerweise der Mittelfinger ruhen würde, war ein kleines Silbermedaillon eingelassen, das den zweiköpfigen Kriegsadler der Venageti zeigte.
    »Ein Kriegsandenken?« vermutete Morpheus.
    »Ein sehr ungewöhnliches Andenken. Von den Venageti. Kein Dienstgrad unter einem Oberstleutnant würde so etwas tragen. Vermutlich gehörte es einem Bataillonskommandeur ihrer Elitetruppen oder einem Regimentskommandeur oder seinem Stellvertreter ihrer regulären Streitkräfte.«
    »Viele dürfte es hier ja wohl nicht davon geben, oder?«
    »Das stimmt.« Es war eine Spur. Dürftig zwar, aber eine Spur. Ich sah auf Schleicher hinab. »Mann, warum bist du nicht mit der Sprache rausgerückt, als du noch Gelegenheit dazu hattest?«
    »Garrett?«
    Ich kannte diesen gedehnten Tonfall. Morpheus’ besonders belehrender Ton, wenn er befürchtet, daß ich gefühlsmäßig in eine Sache hineingerate. Er nannte es allerdings Unprofessionalität. Die seiner Meinung nach Verbohrtheit und Achtlosigkeit nach sich zog.
    »Ich habe es im Griff. Mir tut einfach nur der Junge leid. Ich kann mir sein Leben ausmalen. Es hätte nicht so enden sollen.«
    »Wir müssen gehen, Garrett.«
    »Ja.«
    Es wurde Zeit. Bevor ich gefühlsmäßig noch tiefer in die Geschichte hineingezogen wurde.
    Als ich abschob, ging mir ein alter Spruch durch den Kopf: Nur für den Dank der Götter … Immer und immer wieder.
     
     

 
18. Kapitel
     
    Morpheus wollte die Spur der Person aufnehmen, die geflohen war. Ich ließ ihm seinen Willen. Er erreichte nichts.
    »Irgendwas stimmt hier nicht, Garrett.«
    »Was?«
    »Mich beschleicht ein übles Gefühl. Es ist nicht direkt eine Intuition, sondern eher eine unterschwellige Überzeugung, daß die Dinge sich noch richtig unangenehm entwickeln.«
    Ich kam nicht dazu, ihn einen Lügner zu nennen, denn genau in diesem dramaturgisch perfekten Moment schrie jemand drinnen im Haus. Es war weder ein Schmerzens- noch ein Angstschrei, obwohl Panik darin mitschwang. Und er ließ mir eiskalte Schauer der Furcht über den Rücken laufen. Er klang wie der Schrei einer Frau, aber ich konnte es nicht mit absoluter Gewißheit sagen. Auf den Inseln hatte ich genug Männer so schreien hören.
    »Versteck dich!« rief ich Morpheus zu und rannte los.
    Der Schrei wollte einfach nicht enden. Ich stürmte ins Haus. Er kam aus der Westseite, aus der Galerie des dritten Stocks. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und verlangsamte erst im zweiten Stock meine Schritte. Ich wollte nicht unvorbereitet in irgend etwas hineinplatzen.
    Auf den Stufen lagen Wassertropfen und grüne Stückchen und Brocken von irgendeinem Zeug. Unter einer Lampe lag etwas, das aussah wie eine tote Schnecke. Ich stieß mit dem Fuß dagegen. Es bewegte sich, und dann erkannte ich es. Es war ein Blutegel. Auf der sumpfigen Insel hatte ich seine Vettern und Basen sehr gut kennengelernt.
    Und den Gestank kannte ich auch von dieser Insel.
    Was ging hier vor?
    Oben herrschte ein totaler Aufruhr. Männer schrieen, und Peters brüllte Befehle. »Schnappt euch Speere und stoßt das Ding runter!«
    Dellwoods hohe Stimme durchdrang das allgemeine Gebrüll. »Was um Himmels willen ist das?«
    Vorsichtig schlich ich weiter. Oben auf dem Treppenabsatz standen zwei Männer und stießen mit Speeren gegen etwas, das auf den Stufen schwankte. Ich konnte es nicht deutlich sehen, weil es zu dunkel war.
    Aber ich hatte einen Verdacht.
    Ein Zombie.
    Ich griff mir eine Öllampe.
    Mir bot sich ein Anblick, auf den ich gern verzichtet hätte. Das Ding auf den Stufen war alles andere als eine Augenweide, vor allem für denjenigen, der es gemacht hatte.
    Es war eine Leiche. Und zwar eine, die man in einem Sumpf versenkt hatte. Ein Zombie ist laut Volksmund jemand, der ermordet wurde und seine letzte Ruhe nicht findet, solange sein Mörder ungestraft unter der Sonne wandelt. Es gibt eine Million

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