Geistersturm
ja.«
»Er ist auch gefährlich. Der geht über Leichen. Ich denke nicht, daß Ihr Freund durch seine Aktion etwas gewonnen hat, Suko.«
»Warum nicht?«
»Weil McLean von seiner Sache überzeugt ist. Wenn er stirbt, fühlt er sich noch als Held, und von Helden halten wir beide wohl nicht viel. Zumindest nicht von derartigen.«
»Da haben Sie recht.«
Die Situation spitzte sich dramatisch zu. McLean wollte auf keinen Fall aufgeben. Er konnte sich nicht blamieren, er war sogar bereit, deshalb in den Tod zu gehen, und seine Worte peitschten seine Leute immer mehr an. Ein Mann löste sich aus dem Pulk, was Suko und Melvin genau beobachteten. Sie sahen auch, wie der Kerl sein Gewehr hob und anlegte. Die Mündung wies gegen John Sinclair.
»Der schießt ihm den Kopf weg, wenn wir nicht eingreifen!« hauchte Melvin Hunt. Suko zog seine Waffe.
»Nein«, sagte Melvin, »das kann ich besser.« Er kniete sich bereits hin und hob sein Gewehr an. »Sie wollen…«
»Verlassen Sie sich darauf, Suko. Ich war mal Scharfschütze, einer der besten!«
»Dann ist es okay.«
Hunt blieb in seiner knienden Haltung. Er war ruhig. So konnte tatsächlich nur jemand handeln, der seine Nerven unter Kontrolle hatte und sich seiner Sache sicher war.
Auch die andere Seite hatte einen Scharfschützen, der bereits auf Sinclair zielte. John konnte ihn nicht sehen, da sich der Mann gut versteckt im Dunkeln aufhielt.
McLean war wie von Sinnen. Er kreischte, obwohl er sich in der Geiselklammer befand. »Exekutiert ihn! Schießt ihn nieder, diesen Verräter Sinclair!«
Melvin Hunt drückte ab!
***
McLean hatte die Worte kaum gesprochen, da fiel der Schuß!
Gewehrschuß, dachte ich noch und rechnete mit dem Einschlag der Kugel. Mit dem plötzlichen Nichts, der absoluten Dunkelheit, in die ich hineingezerrt wurde.
Wieso rechnete ich damit? Wieso war ich noch in der Lage, diesen Laut als Gewehrschuß zu identifizieren? Ich hätte doch eigentlich längst tot sein müssen!
Statt dessen hatte es einen anderen erwischt.
Ich sah eine Gestalt, die sich in das Dunkel zurückgezogen hatte, jetzt aber vorkam und sich auf unsicheren Beinen bewegte. Der Mann hielt ein Gewehr in der Hand, das ihm plötzlich zu schwer wurde. Genau in dem Augenblick, als er in das Licht hineintrat, brach er auf der Stelle zusammen und fiel ebenso zu Boden wie seine Waffe.
Ich atmete durch und hörte in meiner direkten Nähe ein jaulendes Geräusch. Es war McLean gewesen, der seiner Enttäuschung durch diesen Laut freie Bahn ließ. Mir fiel erst jetzt auf, daß ich ihn noch immer umklammert hielt und auch die Beretta nicht unter seinem Kinn weggezogen hatte. »Sei ruhig, McLean, sei nur ruhig…«
Der Schock saß tief. Auch die anderen waren plötzlich keine Menschen mehr, sondern einzig und allein Statuen, die auf dem Fleck standen und sich nicht rührten. Aus dem Hinterhalt war der Schütze beschossen worden. Somit hatte man mir das Leben gerettet. Mit einem Gewehrschuß. Ich dachte darüber nach, daß mein Freund Suko kein Gewehr trug. Es mußte also ein anderer gewesen sein.
Hatte er einen Helfer bekommen?
Ich hörte, daß McLean Schwierigkeiten mit seiner Atmung bekam und lockerte den Griff ein wenig. Er rang keuchend nach Luft. Dann erst schaffte er es, eine Frage zu stellen. »Wer, Sinclair? Wer, zum Teufel, hat das getan?«
»Keine Ahnung.«
»Du hast uns reingelegt. Du bist wie diese Sinclair. Ein hinterlistiger Hundesohn und Verräter. Aber so seid ihr alle, ihr, ihr verfluchten Sinclairs.«
»Reden Sie kein Blech, McLean! Kommen Sie doch endlich zur Vernunft! Wer wollte mich exekutieren lassen? Sie waren es. Sie haben Ihre Männer doch aufgehetzt. Sie sind ein verbohrter alter Idiot, McLean. Etwas anderes kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
»Sie haben eine Schlacht gewonnen, aber keinen Krieg. Wir werden die Ehre dieses Landes wiederherstellen. Ich weiß nicht, ob mein Kamerad tot ist, aber wenn er fiel, dann für sein Vaterland, für Schottland, das die alte Schmach nicht auf sich sitzen lassen wird. Wir haben lange genug gelitten, Sinclair. Das ist jetzt vorbei. Wenn ich Sie mir anschaue, dann sind Sie…«
»Halten Sie den Mund, McLean!«
Er schwieg tatsächlich, was mich wunderte. Aber im Augenblick konnte er auch keine Unterstützung erwarten, denn seine Leute, die Befehle gewohnt waren, standen da, ohne sich zu regen. Sie fürchteten sich auch vor der Gefahr aus dem Dunkeln. Keiner von ihnen wußte, wer den Schuß abgefeuert hatte, denn
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