Gejagt
Ich sehe dich so, wie du bist, und ich glaube an das, was du sein könntest, wenn du nur wolltest. Verstehst du nicht, Stark? Kalona und Neferet sorgen dafür, dass du so bleibst, wie du jetzt bist, weil sie dich so am besten benutzen können. Wenn du dich nicht in ein Geschöpf verwandeln willst, das völlig unter ihrem Einfluss steht, dann musst du dich anders entscheiden und dich gegen sie wenden – und gegen die Finsternis, mit der sie sich umgeben.« Ich seufzte, weil mir die richtigen Worte fehlten. »Verstehst du, wenn die Guten nichts dagegen tun, wird das Böse gewinnen.«
Das schien einen Nerv in ihm getroffen zu haben, denn langsam drehte er sich zu mir um. »Aber ich bin keiner von den Guten.«
»Du warst einer von den Guten, bevor das passiert ist. Ich weiß es. Ich hab dich nicht vergessen, genau wie ich’s dir versprochen habe. Und du kannst wieder gut werden.«
»Wenn du das sagst, glaub ich es sogar fast.«
»Es zu glauben ist schon mal der erste Schritt. Der zweite ist es, danach zu handeln.« Ich verstummte, aber auch er sagte nichts, also füllte ich die Stille mit einem Fetzen des Gedankensturms, der momentan in mir tobte. »Denkst du gar nicht darüber nach, warum wir uns andauernd begegnen?«
Da kehrte das Bad-Boy-Lächeln mit einem Schlag zurück. »Oh, ich dachte, es wär, weil du so verdammt scharf bist.«
Ich versuchte erfolglos, nicht zurückzugrinsen. »Na ja, ich meine, abgesehen davon.«
Er zuckte mit den Schultern. »Das reicht mir.«
»Danke, nehme ich an. Aber das ist nicht ganz, was ich meine. Ich dachte, es hat bestimmt was mit Nyx zu tun. Ich glaube, du bist ihr wichtig.«
Sein Lächeln verflog sofort. »Die Göttin will doch nichts mehr mit mir zu tun haben. Nicht nach alledem.«
»Ich glaube, du wärst überrascht. Erinnerst du dich an Aphrodite?«
Er nickte. »Ja, ’n bisschen. Das war doch diese arrogante Zicke, die sich für ’ne Liebesgöttin hält.«
»Genau das ist sie. Aber Nyx und sie sind ganz dick miteinander.«
»Wirklich?«
»Und wie«, sagte ich. Dann konnte ich ein ausgiebiges Gähnen nicht unterdrücken. »Sorry. Ich hatte in letzter Zeit nicht viel Schlaf. Mit all dem Chaos hier und meiner Verletzung und diesen bescheuerten Albträumen kam er leider ein bisschen zu kurz.«
»Kann ich dich was über deine Träume fragen?«
Ich zuckte mit den Schultern und nickte matt.
»War Kalona darin?«
Überrascht blinzelte ich ihn an. »Wie kommst du darauf?«
»Weil er das so macht. Sich in die Träume von Leuten einschleichen.«
»Bei dir etwa auch?«
»Nee, das nicht, aber ich hab gehört, was die Jungvampyre so reden, und bei denen war er definitiv drin, auch wenn sie davon deutlich begeisterter waren als du.«
Ich dachte daran, wie sexy Kalona sein konnte und wie schwer es war, seiner faszinierenden Erscheinung nicht zum Opfer zu fallen. »Ja, das glaub ich gern.«
»Dazu würde ich dir gern was sagen, aber ich will nicht, dass du glaubst, ich denk mir das nur aus, damit ich mich an dich ranmachen kann.« Er sah extrem unbehaglich aus, als ob ihn das, was er sagen wollte, wirklich nervös machte.
»Was denn?«
»Er kann sich weniger gut in deine Träume schleichen, wenn du nicht allein schläfst.«
Ich starrte ihn entgeistert an. Er hatte recht – das klang genau nach etwas, was ein Typ sich ausdenken würde, um zu einer Frau ins Bett (und unter den Rock) zu kommen.
»Das erste Mal, als es passiert ist, war ich nicht allein«, sagte ich.
»Du hattest einen Kerl bei dir?«
Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. »Nein, meine Zimmernachbarin.«
»Es muss ein Mann sein. Scheint was damit zu tun zu haben, dass er keine Konkurrenz will oder so.«
»Stark, das ist gequirlter Bockmist.«
Er lächelte. »Schöner Ausdruck.«
»Sag nichts gegen meine Ausdrücke. Woher zum Henker willst du so genau über Kalona Bescheid wissen?«
»Er redet viel, wenn ich dabei bin. Oft kommt’s mir vor, als würde er gar nicht merken, dass ich da bin. Ich hab gehört, wie er sich mit Rephaim über die Träume unterhalten hat. Kalona hatte überlegt, ob er Rabenspötter als Wachen zwischen Mädchen- und Jungstrakt aufstellen sollte, damit da keine heimlichen Treffen stattfinden. Aber dann hat er beschlossen, dass es nicht nötig ist, weil er eigentlich kein Problem hat, die Jungvampyre unter Kontrolle zu halten – ob durch ihre Träume oder auf andere Weise.«
»Eklig«, sagte ich. »Was ist mit den Lehrern? Sind die auch alle unter seiner
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