Gejagt
musste den Triumph in meinen Augen bemerkt haben, denn plötzlich wandelte sich sein angriffslustiger Gesichtsausdruck zu einem unterdrückten, wissenden Lächeln. Er beugte sich zu mir herunter und flüsterte, nur für meine Ohren bestimmt: »Denk daran, meine kleine A-ya: Der Krieger kann dich vor allem beschützen, doch
nicht vor mir
. Nicht einmal die Macht deiner Elemente wird mich daran hindern können einzufordern, was eines Tages wieder mein sein wird.« Und er presste seine Lippen auf meinen Mund, und der wilde Geschmack seines Kusses wirbelte wie ein Schneesturm durch mich hindurch, betäubte meinen Widerstand und gefror meine Seele in einem verruchten Verlangen, das mich völlig überwältigte. Sein Kuss ließ mich alles und jeden vergessen – Stark, Darius, ja selbst Heath und Erik verschwanden komplett aus meinen Gedanken.
Dann ließ er mich los, und meine Beine trugen mich nicht mehr. Während ich zu Boden ging, verließ er lachend den Raum, und sein verwundeter liebster Sohn humpelte hinter ihm her.
Neunzehn
S chluchzend kroch ich zu Darius hinüber. Ich hatte ihn gerade erreicht, als ich von der Tür her einen grässlichen Laut hörte. Ich sah hin. Dort stand Stark, den Bogen in einer Hand, die andere so fest um den Türrahmen geklammert, dass seine Knöchel weiß waren, und ich schwör’s: ich sah, wie seine Finger bleibende Mulden ins Holz drückten. Seine Augen glühten rot, und er krümmte sich leicht vornüber, als hätte er Bauchschmerzen.
Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen, weil Tränen mir den Blick verschwimmen ließen. »Stark? Was ist?«
»Das Blut … ich kann nicht … ich muss …«, stammelte er mit großen Unterbrechungen und stolperte wie gegen seinen Willen einen Schritt ins Zimmer hinein.
Neben mir kam Darius auf die Knie. Er hob das Messer auf, das Kalona hatte fallen lassen, und sah Stark an. »Wisse, dass ich mein Blut nur mit jenen teile, denen ich es selbst anbiete«, sagte er mit ruhiger, kräftiger Stimme. Hätte ich ihn nicht gesehen, ich hätte nie geahnt, dass ihm aus der schrecklichen Messerwunde Blut über Gesicht und Hals strömte. »Und dir habe ich es nicht angeboten, Junge. Entferne dich von hier, ehe noch schlimmere Dinge passieren.«
Es war Starks ganzem Körper anzusehen, was für ein unheilvoller innerer Kampf in ihm vorging. Vom Glutrot seiner schwelenden Augen über die wölfische Grimasse seiner Lippen bis hin zu den wie Drahtseile gespannten Muskeln sah er aus wie kurz vorm Zerspringen. Aber ehrlich gesagt, ich hatte jetzt echt genug. Es wäre die Untertreibung des Jahres gewesen, wenn ich sagen würde, ich hätte mich über meine Reaktion auf Kalonas Kuss erschreckt. Mir tat der ganze Körper weh, und mein Kopf war wie mit Watte ausgestopft. Ich war so schwach, dass ich im Armdrücken wahrscheinlich nicht mal, sagen wir mal, Jack hätte besiegen können. Und jetzt war auch noch Darius verletzt, und ich hatte keine Ahnung, wie schwer. Also, so platt wie ich war, hätte man mich glatt als Fußabtreter verkaufen können.
Ich richtete mich auf. »Stark, verpiss dich gefälligst!« Erleichtert stellte ich fest, dass meine Stimme viel stärker klang, als ich mich fühlte. »Ich hab keine Lust, dich mit dem Feuer zu rösten, aber wenn du noch einen Schritt weiter in dieses Zimmer machst, schmor ich dir den Arsch ab.«
Das drang zu ihm durch. Seine roten Augen richteten sich auf mich. Er sah wütend und gefährlich aus. Eine seltsame Finsternis umgab ihn wie eine Aura, was das Rot seiner Augen noch drastischer funkeln ließ. Ich stand auf, froh, dass die Decke um meinen Körper sich nicht löste, und hob die Arme. »Treib’s nicht zu weit. Ich schwör dir, wenn ich die Geduld verliere, geht’s dir schlecht.«
Stark blinzelte mich ein paarmal an, als müsste er seinen Blick klären. Das Rot in seinen Augen verblasste, die Finsternis um ihn ebbte ab, und er rieb sich mit zitternder Hand das Gesicht. »Zoey, ich –«, begann er in fast normalem Ton. Da verlagerte Darius seine Verteidigungsposition etwas näher zu mir hin. Stark knurrte ihn an – ja, er
knurrte
, als wäre er mehr Tier als Mensch –, wirbelte herum und jagte davon.
Irgendwie gelang es mir, zur Tür zu wanken und sie zuzuschlagen, dann zog ich einen Stuhl, der neben meinem Bett gestanden hatte, heran und schob die Lehne unter die Klinke, wie ich es in Filmen gesehen hatte. Erst dann kehrte ich zu Darius zurück.
»Es ist ein Segen, dich auf meiner Seite zu
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