Gejagte der Nacht
Abzugsöffnung, die in der Decke versteckt war.
Offenbar befanden sich der König und Harley in einem Raum über ihr und wussten nicht, dass ihr Gespräch belauscht werden konnte.
»Also gibt es keine Hoffnung?«, fragte Harley leise.
»Bedauerlicherweise nicht«, antwortete Salvatore, ohne zu wissen, dass seine düsteren Worte Kassandra mit einem heftigen Schmerz erfüllten. »Er ist dem Untergang zu nahe.«
Harley gab einen gequälten Laut von sich. »Und wenn wir eine Hexe rufen? Wenn der Zauber aufgehoben werden könnte, dann könntest du vielleicht zu ihm durchdringen.«
Kassie hörte, wie Salvatore einen heiseren Seufzer ausstieß. »Von dem Zauber ist nichts mehr übrig.«
Kassandra runzelte die Stirn, als Harley die Frage aussprach, die ihr selbst ebenfalls auf den Lippen lag.
»Wie ist das denn möglich?«
»Kassandra sagte, dass die Wolfstöle, die den Zauber wirkte, tot sei. Ich vermute, der Zauber starb mit ihr.«
»Salvatore, wir müssen irgendwas tun!«, flehte Harley.
»Er muss von seinen Leiden erlöst werden.«
Kassie schlug sich die Hand vor den Mund, um den erschöpften Schrei der Leugnung zu ersticken, den sie bei Salvatores schonungslosem Geständnis unwillkürlich ausstieß. Welche Rolle spielte es, was der König wollte? Auf gar keinen Fall würde sie zulassen, dass irgendjemand Caine etwas antat.
Nicht jetzt. Und überhaupt niemals.
»Nein«, entgegnete Harley mit zitternder Stimme.
»Ich beabsichtige heute Nacht keine Entscheidung zu treffen«, versicherte Salvatore seiner Gefährtin, aber Kassie entging der grimmige Unterton in seiner Stimme nicht. Er würde das tun, was er für das Beste für sein Volk hielt. Selbst wenn das bedeutete, einen wild gewordenen Werwolf zu vernichten. »Es gibt zu viele andere dringende Anliegen.«
»Das ist wahr«, gab Harley widerwillig zu. »Styx und Jagr sind zurück.«
»Ich muss mit ihnen sprechen.«
»Was soll ich Kassandra sagen?«
»Heute Nacht nichts«, meinte Salvatore mit erschöpfter Stimme. »Gönne ihr einige Stunden Ruhe. Wir werden ihr die Neuigkeiten morgen früh mitteilen.«
Harley schniefte, als ob sie die Tränen zurückzuhalten versuche. »Sie wird völlig am Boden zerstört sein.«
»Nicht, wenn wir für sie da sind. Wir werden ihr die Unterstützung geben, die sie benötigt«, tröstete Salvatore seine verzweifelte Gefährtin. »Kommst du mit mir?«
»Ja, ich muss Darcy wissen lassen, was passiert ist.«
KAPITEL 20
K assandra musste mehrmals tief durchatmen, bevor sie ihre zitternden Beine zwingen konnte, den Weg die Treppe hinunter fortzusetzen.
Sie hatte nicht die Absicht, sich geschlagen zu geben, ganz egal, was der König auch sagen mochte, aber sie konnte ein durch dringendes Gefühl der Enttäuschung nicht leugnen. Immerhin hatte sie verzweifelt gehofft, dass Salvatore sich seinen Weg durch Caines unbezähmbaren Wahnsinn hindurchbahnen würde. Um zu dem Mann, oder sogar dem Wolf, unter dem Irrsinn durchzudringen.
Jetzt hatte sie niemanden mehr, auf den sie sich verlassen konnte, abgesehen von sich selbst.
Das war kein besonders beruhigender Gedanke.
Als sie das untere Ende der Treppe erreichte, war sie gezwungen anzuhalten. Sie war nicht überrascht über das komplizierte Labyrinth aus Zementgängen, das sich unter dem riesigen Anwesen erstreckte. Dieses Versteck gehörte immerhin dem König der Vampire. Es wäre eher eine Überraschung, wenn es nicht hundert Gänge gäbe, in denen sich Styx’ von der Sonne herausgeforderter Clan durch Chicago bewegen konnte.
Ein kleiner Schauder überlief sie. Götter, sie hasste es, sich unter der Erde aufzuhalten.
Trotz der hohen, von Neonröhren gesäumten Decken sowie der guten Belüftung reichte der Anblick der Tunnel aus, um sie an die langen, düsteren Jahre zu erinnern, in denen sie in dem Versteck des Dämonenlords gefangen gewesen war.
Sie brauchte Caine, dachte sie mit einem Lächeln reiner Ironie. Wenn er bei ihr wäre, hätte sie keine Angst.
Er war ihr Mut.
Kassandra rief sich ins Gedächtnis, dass sie kostbare Zeit vergeudete. Sie straffte die Schultern und folgte Caines schwächer werdender Fährte durch den nächsten Gang.
Zweimal war sie gezwungen umzukehren, als sie den Geruch eines sich nähernden Vampirs wahrnahm, aber schließlich erreichte sie den schmalen Gang, der zu Caines Zelle führte. Allerdings blieb sie stehen, als sie den deutlichen Granitgeruch wahrnahm, der ihr in die Nase stieg.
Granit?
Langsam drehte sie sich um und hob die
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