Gejagte der Nacht
vernichtend zuzuschlagen.
Falls sie sich in der Nähe aufhielte, wüsste er davon.
Levet richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die kleine Frau, die sich nun direkt vor ihm aufbaute. Ihre weiße Robe war so lang, dass sie die Pflastersteine streifte. »Aus welchem Grund bist du hier?«
»Ich habe deine Traurigkeit gespürt.« Yannah streckte die Hand aus, um sanft die Spitze eines seiner Stummelhörner zu streicheln. »Erzähle mir davon.«
»Ich habe etwas getan, das ich mir nie vergeben werde«, gestand er ihr. Sein Bekenntnis schockierte ihn selbst.
Dass er ihr sein Herz ausschüttete, hatte nichts mit ihrer zärtlichen Berührung zu tun oder mit dem Anflug von Mitgefühl in ihren dunklen Augen, versicherte er sich selbst. So leicht konnte man ihn nicht manipulieren.
Es war nur so, dass … er jemanden brauchte, mit dem er reden konnte.
Jeder wäre dazu geeignet. Selbst die marmorne Neptunstatue, die Wasser spie.
Ja, so musste es sein.
»Aha.« Sie kräuselte ihre Nase. »Du hast nach der Göttin des Lichtes gerufen.«
Levet machte sich nicht die Mühe zu fragen, woher die Frau wusste, dass er seine Zauberkräfte eingesetzt hatte, um Abby gedanklich zu erreichen. Oder dass er sie dazu gedrängt hatte, sich zu dem Riss zu begeben. Yannah verfügte über mehr als ein mysteriöses Talent.
»Oui.«
»Weshalb bereitet dir das Sorgen?« Yannah legte die Stirn in Falten, offensichtlich verwirrt über seinen Kummer. »Der Phönix dient doch dem Zweck, sich der Flut der Finsternis entgegenzustellen.«
»Weil der Phönix nicht allein in den Kampf zieht«, antwortete Levet. Seine Flügel hingen schlaff herunter, wenn er nur daran dachte, dass die süße und so zerbrechliche Abby direkt mit dem Fürsten der Finsternis konfrontiert wurde. »Der Geist wird mon amie chérie aufs Pik legen.«
Yannah schüttelte leicht den Kopf. »Du meinst wohl ›aufs Kreuz legen‹?«
»Das habe ich doch gesagt, oder?«, fragte er ungeduldig.
»Nun, es ist eine Zeit der Veränderung«, versuchte Yannah ihn zu beruhigen. »Wir sind alle dazu aufgerufen, unsere Pflicht zu erfüllen, ob es uns nun gefällt oder nicht.«
Levet entzog sich ihrer ablenkenden Berührung und maß die Entfernung zwischen zwei reich verzierten Urnen mit seinen Schritten aus. »Nun, es gefällt mir nicht«, murmelte er, und sein Schwanz peitschte hinter ihm. »Es gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Bitte, Levet, hör auf«, flehte Yannah. »Mir dreht sich schon der Kopf.«
»Bien.« Er blieb stehen. Nicht deshalb, weil sie das wollte. Aber wie hätte er ihr sonst einen warnenden Blick zuwerfen sollen? »Du hast mir bereits den Kopf verdreht, als wir uns kennenlernten.« Er richtete eine Klaue auf sie. »Und du hast mich geschlagen.«
»Es war nur ein kleiner Schubser.«
Levet stieß einen ungläubigen Laut aus. »Ein kleiner Schubser? Du hast mir den Kieferknochen gebrochen!«
»Willst du eine Entschuldigung hören?«
Was er wollte, war, dass sie ihn küsste und es wiedergutmachte, flüsterte ihm eine verräterische Stimme zu.
Dass sie ihn wieder und wieder und wieder küsste.
Und nicht nur auf den Kiefer.
Sie könnten sich in die Grotte schleichen, wo sie ganz allein wären. Er könnte endlich in den Fantasien schwelgen, die ihn seit Wochen verfolgten.
Non. Non. Non.
Er verschränkte die Arme vor der Brust, wie er es bei Styx gesehen hatte, wenn dieser sich als einschüchternder harter Kerl präsentieren wollte. »Ich will in Ruhe gelassen werden.«
Yannah forschte in seinem Gesicht. Der Blick aus ihren dunklen Augen war entnervend in seiner Intensität. »Hier geht es um mehr als Schuldgefühle, weil du deine Freundin in Gefahr gebracht hast, nicht wahr?«
Er machte Anstalten, ihre alberne Beschuldigung zu leugnen, nur um festzustellen, dass ihm die Worte auf den Lippen erstarben. Gegen seinen Willen schweifte sein Blick zu der Villa, in der Vampire und Werwölfe laut und deutlich vernehmbar Befehle brüllen.
»Sie bereiten sich auf den Krieg vor, während ich dazu verurteilt bin, in der Gartenanlage zu bleiben. Weißt du, meine Fähigkeiten …« Er suchte nach dem passenden Ausdruck. »Nun ja, mir mangelt es an Fähigkeiten.«
Yannah blickte ihn mit einer schockierten Verwirrung an, die echt zu sein schien. »Aus welchem Grund sagst du so etwas?«
»Weil es der Wahrheit entspricht.«
»Nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf, sodass ihr Zopf von einer Seite zur anderen schwang. »Es entspricht nicht der Wahrheit.«
In jeder
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