Gejagte der Nacht
genug, dass die Hexe zugesehen hatte, wie er wie ein rückgratloser Naturgeist unter ihrem Zauber zusammengebrochen war. Er würde es nicht noch schlimmer machen, indem er versuchte, sich zu erheben, bevor er sich sicher war, dass er nicht am Ende mit dem Gesicht voran auf dem Boden landete.
Als er endlich zuversichtlich war, stehen zu können, ohne sich in eine peinliche Lage zu bringen, erhob er sich und funkelte die Hexe böse an.
»Du … Hure!«, knurrte er und presste eine Hand auf sein nicht schlagendes Herz. »Hast du mir die Seele genommen?«
Sie erbleichte, als die Kerzen durch seine eiskalte Wut aufflackerten und dann verloschen, behauptete sich aber verbissen. »Die habt Ihr schon vor langer Zeit verkauft, Kommandant.«
Nun, das war die scheußliche Wahrheit, oder nicht?
Er schüttelte diesen finsteren Gedanken ab. Was er getan hatte, ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Es gab kein Zurück mehr für ihn.
Stattdessen richtete er einen Finger auf die Hexe. Seine Kräfte prasselten mit so viel Gewalt auf sie ein, dass er sie damit gegen die Wand drückte.
»Sage mir, was du mir angetan hast.«
Sie leckte sich über die Lippen, und der Geruch ihrer Furcht stieg ihm in die Nase.
»Ich …«
Er ging drohend einen Schritt auf sie zu. »Sage es mir.«
»Ich habe Eure Existenz gelöscht«, plapperte sie hastig.
Gaius konnte kaum dem albernen Drang widerstehen, nach unten zu blicken und sich zu vergewissern, dass er sich nicht einfach in Luft aufgelöst hatte.
»Erkläre mir das.«
Sie hob in einer flehenden Geste die Hände. »Ich weiß nicht, wie.«
»Versuche es«, fauchte er. »Und strenge dich an!«
»Der Zauber ist dazu bestimmt, Eure Identität zu reinigen«, versuchte sie zögernd zu erklären. »Ihr habt keinen Geruch, keine … Präsenz. Andere wissen zwar, dass Ihr in der Nähe seid, aber wenn sie keine extrem mächtigen Dämonen sind, können sie sonst nichts über Euch herausfinden. Nicht einmal, dass Ihr ein Vampir seid.«
Genau das hatte er erwartet. Weshalb fühlte er sich dann, als sei er soeben vergewaltigt worden? Er fauchte und wünschte sich zumindest die Genugtuung, die Hexe töten zu können, die für sein plötzlich aufgetretenes Gefühl des Verlustes verantwortlich war.
»Götter.«
Sally, die ohne Schwierigkeiten seinen Wunsch erriet, sie umzubringen, bewegte sich vorsichtig an der Wand entlang, bis sie endlich die Tür erreicht hatte. Ohne ihren wachsamen Blick auch nur einmal von seiner grimmigen Miene abzuwenden, öffnete sie sie. »Geht zu der Frau«, sagte sie mit heiserer Stimme. »Dann werdet Ihr Euch ganz bestimmt besser fühlen.«
Sein Zorn war augenblicklich vergessen.
Dara.
Nein. Er schüttelte den Kopf. Nicht Dara. Aber eine Frau, die seine dringlichsten Begierden stillen würde. Er würde sich doch gewiss besser fühlen, wenn sich jemand um seine Bedürfnisse kümmerte.
Er schritt auf die Tür zu, legte aber eine kurze Pause ein, um Sally etwas ins Ohr zu flüstern. »Irgendwann, sehr bald, Hexe …«, warnte er sie.
Zu seiner Freude konnte er beobachten, wie ihr Gesicht eine kränkliche graue Färbung annahm. Dann machte er sich auf den Weg zurück durch den Korridor und betrat die mit Blei ausgekleidete Zelle. Gaius schloss die Tür hinter sich und hielt inne, um den Moment auszukosten.
Gab es irgendetwas Süßeres als den kräftigen Duft warmen Frauenblutes? Oder den Anblick seiner Beute, wie sie sich zur Wehr setzte, hilflos und voller Angst?
Auf seinen Lippen bildete sich ein Lächeln, als die Frau an den Fesseln zerrte, mit denen sie an die Wand gekettet war. Sie drehte den Kopf von einer Seite auf die andere, da sie sein Eintreffen hören konnte, obgleich der Raum zu dunkel war, als dass sie ihn mit ihren menschlichen Augen hätte sehen können.
»Wer ist da? Was wollen Sie von mir?«, krächzte sie. Das hektische Pochen ihres Herzens klang in Gaius’ Ohren wie Sirenengesang. »Sprich mit mir, du perverser Freak!«
Der heftige Hunger nötigte Gaius, seine Macht einzusetzen, um die einzige Kerze anzuzünden, die auf einem Hocker in einer entfernten Ecke stand. Die flackernde Flamme war in der tiefen Finsternis kaum zu erkennen, aber sie spendete gerade so viel Licht, dass die Frau erkennen konnte, wie der Vampir sich ihr näherte.
Sie öffnete den Mund, um zu schreien, aber Gaius nahm ihr Gesicht in die Hände und sah ihr tief in die geweiteten Augen.
»Pst. Sieh mich an«, gurrte er, indem er ihren Blick auffing und mühelos ihren
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