Gejagte der Nacht
beschäftigt hält.« Es folgte ein Moment des Schweigens, als überlege der Vampir, wie viel er wohl verraten musste, um Gaius zu beschwichtigen. »Außerdem kann ich die Schatten eine beträchtliche Weile aufrechterhalten, wenn ich stillstehe, aber wenn ich gezwungen bin, mich zu bewegen, zehrt das mehr an meinen Kräften. Und sobald ich das Kind bei mir habe, wird es noch schwieriger.«
»Wie lange?«, drängte Gaius.
»Zehn Minuten, vielleicht auch eine Viertelstunde«, antwortete Kostas widerstrebend.
»Das ist nicht sehr lange.« Stirnrunzelnd warf Gaius einen Blick auf die riesige Villa. Er nahm mühelos das Labyrinth aus Tunneln wahr, das unter dem Gelände verlief. »Was, wenn Ihr Schwierigkeiten habt, das Kind zu finden?«
»Schwierigkeiten?« Die Selbstgefälligkeit des Mannes kehrte mit aller Macht zurück. »Ich bin ein Jäger. Es gibt nichts, was ich nicht aufspüren könnte.«
»Hier handelt es sich um das Versteck des Anasso«, betonte Gaius. »Wer weiß, mit welcher Art von Zaubern er das Kinderzimmer belegt hat?«
»Ich bin dazu ausgebildet, solche Fallen zu meiden.«
»Schön.« Sollte sich dieser Bastard doch vom König der Vampire das Herz herausschneiden lassen. Und falls er wie durch ein Wunder überlebte und mit dem Baby entkam, würde Gaius mit Freuden die Belohung von dem Fürsten der Finsternis einfordern. »Wo werden wir zusammentreffen, nachdem Ihr mit dem Säugling entkommen seid?«
»Ich werde Kontakt zu Euch aufnehmen …«
»Nein.« Gaius hob warnend den Zeigefinger. »Wir legen einen Treffpunkt fest, bevor Ihr das Haus betretet, und dort werdet Ihr mit dem Kind auf mich warten. Ist das klar genug?«
»Ihr traut mir nicht?«, fragte Kostas spöttisch.
»Ich traue niemandem.«
»Ich ebenso wenig. Woher weiß ich, dass Ihr mich nicht hintergehen werdet?« Kostas reckte streitlustig das Kinn vor. »Und glaubt mir, ich werde es wissen, wenn Ihr lügt.«
Oh, Gaius glaubte ihm.
Die gleichen Gerüchte, in denen von der Fähigkeit der Jägerinnen und Jäger gemunkelt wurde, sich in Schatten zu hüllen, ließen auch durchblicken, dass sie eine Lüge aus einem Kilometer Entfernung witterten. Das spielte allerdings keine Rolle. Wenn es dazu käme, dass er diesen elenden Hurensohn anlügen müsste, würde er ihn einfach töten.
»Mein Befehl besteht darin, den Säugling zum Fürsten der Finsternis zu bringen«, sagte er. »Meint Ihr tatsächlich, ich würde mich unserem Herrn und Meister widersetzen?«
Kostas wirkte nicht sonderlich glücklich, doch er wusste, dass er diesen Kampf nicht gewinnen konnte.
»Wir werden uns in meinem momentanen Versteck treffen«, murmelte er. »Es liegt achtzig Kilometer westlich von hier, in einer kleinen Stadt namens Platte. Der Eingang befindet sich auf der Rückseite des alten Steinbruches. Klopft an, bevor Ihr eintretet, sonst findet Ihr Euch womöglich in einer hässlichen Falle wieder.«
»Ich werde vor dem Morgengrauen dort sein.« Gaius schnitt eine Grimasse und richtete den Blick wieder auf die Villa, in der er mehr als ein Dutzend mächtige Dämonen wahrnahm. »Vorausgesetzt, ich habe überlebt.«
»Und Styx?«, erkundigte sich Kostas.
»Was ist mit ihm?«
»Mir wurde versprochen, dass er mir überlassen werden würde.«
Gaius zuckte die Achseln. »Das müsst Ihr mit dem Fürsten der Finsternis ausmachen.«
»Es wäre besser, wenn ich nicht enttäuscht werden würde«, meinte Kostas warnend und hüllte sich unvermittelt in Schatten.
»Das, mein Freund, ist beinahe garantiert«, murmelte Gaius und umfasste mit der Hand sein Medaillon, während er nach der besten Stelle für seinen großen Auftritt im Versteck des Anasso suchte.
Styx durchmaß sein Arbeitszimmer mit seinen Schritten und wünschte sich, im Obergeschoss mit seiner Gefährtin im Bett zu liegen, als plötzlich die Gegensprechanlage summte.
Er durchquerte den Raum. Beim Anblick seines besten Raben, der in die Kamera starrte, die in der Nähe des Kinderzimmers angebracht war, legte er die Stirn in Falten. Der Vampir Jagr war einen Meter neunzig groß und früher einmal ein Westgotenhäuptling gewesen. Er verfügte über blassgoldenes, zu einem Zopf geflochtenes Haar, das ihm bis zur Taille reichte, und ein Paar eisblauer Augen, die so hart und gnadenlos waren wie seine herben Gesichtszüge.
Falls er je zivilisiert gewesen sein sollte, so hatten dreihundert Jahre unaufhörlicher Folter ihm dies gründlich ausgetrieben. Allerdings hatte die Tatsache, dass er sich erst
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