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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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sich an den Eingang, um den Leuten, die hereinkommen wollen, zu sagen, daß nicht mehr geöffnet ist.
    Aus dem hinteren Teil des Ladens taucht ein Mann auf. Er gleicht Maliks Erinnerung an Vollbart, außer daß er einen Anzug trägt und bartlos ist. Er wartet, bis ihm einer der Verkäufer sagt, wer nach ihm gefragt hat, obwohl Malik und Qasiir die einzigen noch verbliebenen Kunden sind.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragt Vollbart, kein Wiedererkennungsfunke in den Augen, keine Anspannung des Körpers, kein sichtbares Anzeichen von Angst oder Besorgnis.
    »Mein Laptop ist defekt«, sagt Malik.
    Als würde er sich an Maliks Gesicht oder den Klang seiner Stimme erinnern, verliert Vollbart seine Gelassenheit. Plötzlich sieht er aus, als fühlte er sich bedrängt. Er betrachtet Malik, versucht einzuschätzen, welche Handlungsmöglichkeiten er hat. Sein Blick schweift durch den Laden, wie ein Adler nach Beute Ausschau hält, auf die er niederstoßen kann. Als sein schweifender Blick auf Qasiir landet, zwingt er sich wieder zur Gelassenheit. »Ich habe gar nicht bemerkt, daß du im Laden bist, hat mir keiner gesagt. Ich möchte dir mein herzliches Beileid aussprechen. Und grüß bitte deine Mutter und sag ihr, wie leid mir der Tod deines Großvaters tut.«
    Stille senkt sich über den Laden. Vollbart wendet sich an Malik. »Haben Sie den Rechner mitgebracht, vom dem Sie sagen, daß er defekt ist?«
    Malik schüttelt den Kopf.
    »Bringen Sie ihn her und wir reparieren ihn«, sagt Vollbart.
    Er wendet sich zum Gehen.
    Malik ruft ihn zurück. »Haben wir uns nicht schon mal getroffen?«
    Nach kurzem Schweigen antwortet Vollbart: »Ich werde oft mit manchen meiner Verwandten verwechselt. Vielleicht haben Sie einen meiner Cousins getroffen. Er hat mal hier gearbeitet.«
    Inzwischen hat Qasiir ein wenig Abstand zu Malik genommen, wie sich ein Teenager verlegen abseits stellt, wenn die Eltern Freunde mit Geschichten über ihr Kind überschütten.
    »Ich verwechsle Sie mit niemandem«, sagt Malik, und seine Stimme bleibt leise. »Ich weiß, wer Sie sind: Sie haben meinen Laptop konfisziert, das Foto meiner Tochter gelöscht und dann meinen Rechner mit einem Virus infiziert. Erinnern Sie sich nicht daran?«
    »Sie verwechseln mich mit jemandem.«
    Sie starren einander an, keiner blinzelt. Ein Kräftemessen. Vollbart wirkt beinahe vergnügt, als wäre der Sieg greifbar, Malik Selbstbewußtsein wird von seinem Zorn befeuert.
    »Was genau wollen Sie eigentlich?« fragt Vollbart schließlich.
    »Ich möchte meinen Rechner zurück.«
    Im nun folgenden Schweigen nimmt Qasiir seine ganze Kraft zusammen und sagt leise zu Malik: »Laß uns bitte gehen.«
    Aber nichts wird Malik dazu bringen, sich von der Stelle zu bewegen.
    »Du bist impulsiv und ein Dummkopf, weißt nicht, was gut für dich ist. Wenn dir dein Leben lieb ist, wirst du jetzt sofort den Laden verlassen. Wenn nicht ...!«
    »Was dann?«
    Vollbart schiebt seinen Mantel zurück, so daß der Griff seiner Waffe zu sehen ist. »Du wirst einen qualvollen Tod sterben. Dafür werde ich sorgen. Und denk daran, ich weiß, wo du wohnst. Ich weiß alles über dich.«
    Wie auch immer Malik sich den Verlauf des Gesprächs vorgestellt hat, er hat bestimmt nicht damit gerechnet, daß es mit nackten Drohungen endet. Seine äußere Gelassenheit und sein ruhiger Blick verbergen, daß er innerlich zittert. Er zuckt zusammen, als Qasiir ihn berührt und nochmals sagt: »Können wir bitte gehen?«
    Wieviel von dem Gesagten Qasiir wohl mitbekommen hat, überlegt Malik, und ob er auch das Aufblitzen der Magnum gesehen hat.
    Wieder im Auto ist Malik beeindruckt, daß Qasiir ihn nicht neugierig ausfragt oder rügt. Er weiß, daß er dazu neigt, seine schlechten Seiten zu verbergen, sie nicht publik zu machen. Zum Beispiel ist sein Orientierungssinn ziemlich schlecht und er daher um so dankbarer für Qasiir. Wenn er allein unterwegs ist, schaut er sich manchmal einen Ort, am dem er jemand treffen will, schon einen Tag vorher an, um sich nicht lächerlich zu machen.
    »Einer meiner Freunde, ein Al-Schabaab-Kader, hat mir von einem jungen Kerl erzählt, der vor ein paar Tagen auf Vollbarts Anweisung hin umgebracht wurde.«
    »Kann ich mich mit deinem Freund treffen?«
    »Ich habe ihn bereits gefragt.«
    »Was hat er geantwortet?«
    »Ihm ist es lieber, wenn du dich mit dem Bruder des jungen Kerls triffst.«
    Der Grünschnabel sei Teil einer Vorhut gewesen, erklärt Qasiir, die in der Nähe der

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