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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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sich in meinem Zimmer einzuschließen und durch meine Sachen zu wühlen. Er behauptet, er würde den Fernseher einstellen.«
    Der Einäugige kratzt sich das stoppelbärtige Kinn. »Momentan haben wir leider niemanden, der sich um die Fernseher kümmert. Den letzten haben wir vor drei Tagen gefeuert, eben weil er dabei ertappt wurde, wie er in den Zimmern der Gäste herumschnüffelte.«
    »Aber er war gerade eben in meinem Zimmer«, sagt Ahl.
    »Es gibt keinen Grund, weshalb er in Ihrem Zimmer sein sollte.«
    »Wie kommt er dann in mein Zimmer, wenn er keinen Schlüssel von der Rezeption bekommen hat? Ich habe ihn vor ein paar Minuten hinausgejagt.«
    »Es gibt keinen Grund, weshalb er in Ihrem Zimmer sein oder sich hier einen Hauptschlüssel holen sollte«, der Einäugige bleibt fest. »Ich werde ihn der Hotelleitung melden, und es werden entsprechende Schritte unternommen.«
    »Tun Sie das bitte«, sagt Ahl, obwohl er keinen Augenblick lang glaubt, daß der Mann irgendwelche Schritte unternehmen wird.
    Ein Hupen ertönt, das Haupttor geht auf und herein fährt eine Klapperkiste. Am Steuer sitzt Fidno. Ahl überlegt, ob es überhaupt sinnvoll ist, sein ganzes Geld und den Laptop mitzuschleppen, wenn Fidno offenbar der Ansicht ist, sein übliches schickes Auto sei zu fein für das Dorf, in das sie fahren wollen. Aber was bleibt ihm anderes übrig? Er vertraut auf sein Glück, in der Hoffnung, daß alles gutgehen wird. Vielleicht sollte er doch auschecken und zu Xalan und Warsame ziehen, wenn ihr Angebot noch steht.
    Kaum ist Ahl in das vierrädrige Wrack geklettert, hat die Laptoptasche zu seinen Füßen abgestellt und den Sicherheitsgurt angelegt, da quietscht Fidno auch schon durch das Tor und tritt aufs Gaspedal, als wollte er den Ort schnellstmöglich verlassen. Nach einem halben Kilometer kommen sie durch ein armes Viertel am Stadtrand; die Hütten bestehen aus groben Matten, hie und da mit Zinkblech oder Verpackungsmaterial verstärkt, auf dem der Name des jeweiligen Herstellers steht, auch wenn sie zu schnell fahren, als daß Ahl etwas entziffern könnte. Die aus Stoff improvisierten Türen wehen im Wind. Alles an diesen Hütten und den Anbauten, die als Küchen fungieren, wirkt improvisiert. Hier wohnen Menschen, die vor den Kämpfen im Süden des Landes geflohen sind.
    Schnell schaltet Fidno von einem Gang in den nächsten, die Schrottkiste klappert so laut, daß keiner von ihnen ein Wort von sich gibt, nicht einmal, als Fidno beinahe ein paar Fußgänger überfährt, die in der Mitte der Straße herumlungern. Im letzten Augenblick spritzen sie auseinander, und Fidno braust weiter, wie ein Rennfahrer, der an einem Geländerennen durch unbewohntes Gebiet teilnimmt. Die Fahrt ist so ungemütlich, als säße man auf einem schlechtgelaunten jungen Kamelbullen, der spuckt, ausschlägt und Schaum vorm Maul hat.
    Ahl ist bemüht, sich über den Lärm hinweg verständlich zu machen. »Warum hast du es so eilig? Sind wir spät dran?«
    »Unser Mann ist ein ziemlich rastloser Geist«, gibt Fidno zurück, »und wenn wir uns nicht beeilen, treffen wir ihn vielleicht gar nicht mehr an.«
    »Wie heißt er?«
    Fidno klingt gereizt. »Wenn du es wirklich wissen willst, er ist unter dem Spitznamen Magac-Laawe bekannt. Ein Mann ohne Namen.«
    »Hast du persönlich mit Namenlos gesprochen?«
    »Ich habe mit seinem Handlanger gesprochen.«
    Ahl wünscht, daß Malik hier wäre, Malik, der weiß, wie man mit dieser Spezies umgeht, dem Schmutz, den sich niemand zu entfernen traut, in einem Land ohne Gesetze, einem Staat, in dem sich brutale Gewalt gut bezahlt macht. Wenn Warlords einen Stellvertreter haben und Präsidenten ihren Vizepräsidenten, dann folgt daraus, daß in einer Welt, in der Nötigung die Norm ist, auch Menschenhändler Assistenten brauchen.
    »Was hast du Namenlos über mich erzählt?«
    »Daß du mein Freund bist.«
    Wozu mich das wohl macht, fragt sich Ahl. Zum Verbündeten eines Kriminellen? Dazu bringen einen also Kinder, wissentlich oder unwillentlich machen sie einen zum Komplizen der Gesetzlosen. Er hofft inständig, daß sich Fidno während ihres Ausflugs nicht mit der Obrigkeit anlegt, vor allem nicht, weil er soviel Geld und seinen Laptop dabei hat, in diesem klapprigen Fahrzeug auf dem Weg nach Guri-Maroodi, einem Ort berüchtigt wie nur wenige, selbst in Puntland.
    »Was hast du ihm sonst noch erzählt?«
    »Daß du nach deinem Neffen suchst.«
    »Meinem Neffen, wieso denn Neffe? Er ist mein

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