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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Bile.
    Biles Stimme klingt rauh, als müßte er sich räuspern. »Wir begegneten uns am ersten oder zweiten Tag nach Ausbruch des Bürgerkriegs. Die Tore des Gefängnisses, in dem ich beinahe zwei Jahrzehnte verbracht hatte, die Hälfte davon mit Jeebleh, waren geöffnet worden. Messerschwingende Straßenkinder wollten mir das Auto, in dem ich saß, und das Geld, das ich aus dem Haus gestohlen hatte, in dem ich nach der Flucht Unterschlupf gefunden hatte, abnehmen. Glücklicherweise fuhr Dajaal, der Militäruniform trug und bewaffnet war, genau in diesem Moment vorbei. Er ahnte, daß die Bengel Böses im Schilde führten, und griff ein. Später half er mir, meine Schwester Shanta zu finden. Und als ich mit dem gestohlenen Geld die ›Zuflucht‹ aufbaute, machte ich ihn zu meinem Faktotum. Ich habe ihn geliebt. Er besaß dieses unheimliche Gespür, zu wissen, wann sein Eingreifen nötig war.«
    Cambara läßt ihren Löffel fallen. Bile und Malik schauen sie an und sie platzt heraus: »Bei mir war es genauso!«
    »Wie meinst du – bei dir war es genauso?« fragt Bile.
    »Das erste, was Dajaal zu mir sagte, war: ›Gibt es ein Problem? Benötigen Sie Hilfe?‹ Ich war auf dem Weg zu diesem Anwesen, das damals einem nicht besonders bedeutenden Warlord gehörte, hatte gerade die bedrohlichen Annährungsversuche von ein paar Burschen abgewehrt, die im Auto neben mir herfuhren. Sie hatten angeboten, mich mitzunehmen, und dann versucht, mir Gewalt anzutun, hatten gesagt, ›Du willst es doch auch‹. Dajaal tauchte genau in dem Moment auf, in dem es mir gelungen war, sie zu überreden, mich gehen zu lassen. Ich wußte sofort, daß mein Leben eine entscheidende Wendung genommen hatte. Dajaal würde mir helfen, das Anwesen zurückzubekommen.«
    Auch wenn er stundenlang Dajaals Loblied singen könnte, hat Malik den Eindruck, daß es nicht nötig ist, seine Erlebnisse mit ihm auszubreiten. »Warum ist es mir bloß nie in den Sinn gekommen, ihn zu fragen, ob er Familie hat«, sagt er statt dessen. »Das ist doch peinlich.«
    »Er war so verschwiegen«, sagt Cambara, »man war sich nicht sicher, ob man ihn nach seinem Privatleben fragen oder sich erkundigen durfte, ob er Probleme hatte. Im Gegensatz zu vielen anderen Angestellten bettelte er einen nie um einen Kredit an oder blieb der Arbeit fern.«
    »Er war kein Angestellter«, sagt Bile, »er gehörte zur Familie.«
    »Abgesehen davon, daß er nicht zur Familie gehörte«, sagt Cambara.
    Bile zieht entrüstet die Augenbrauen hoch.
    »Weißt du etwa, was Dajaal machte, wenn er uns nach Anbruch der Dunkelheit verließ?« fragt Cambara.
    »Keine Ahnung«, gibt Bile zur Antwort. »Er war ein verschlossener Mann, das war seine Art.«
    »Zum Schluß hatte sich Dajaal sehr verändert«, sagt sie.
    »Ihr zwei habt euch nicht immer gut verstanden«, gibt er zurück.
    »Er wurde reizbar«, sagt sie.
    »Wie das ganze Land – nervös, selbstmörderisch, griesgrämig«, sagt Bile und erhebt die Stimme ein wenig, um sich Nachdruck zu verschaffen. »Gib zu, daß er den täglichen Bedrohungen viel mehr ausgesetzt war als wir. Und dank ihm fühlten wir uns auch beschützt. Wer weiß, vielleicht ist Dajaal beim Versuch, uns zu beschützen, gestorben.«
    »Nicht daß er mir gegenüber jemals unverschämt oder offen anderer Meinung war«, sagt sie. »Er war respektvoll, aber ich spürte eine Veränderung in seinem Benehmen, seine Wut auf die Welt, das Leben im allgemeinen. Es war, als spürte er, daß die Zeit für ihn knapp würde.«
    »Du hättest dich auch verändert, wenn du unter ständiger Bedrohung leben müßtest und nicht wüßtest, wann ein Mörder mit Gesichtsmaske aus dem Gebüsch springt, um dich umzubringen«, sagt Bile, schweigt dann lange und fragt Cambara schließlich: »Was verheimlichst du uns? Irgend etwas frißt dich auf, irgend etwas hat dich gegen Dajaal aufgebracht. Was hat er getan?«
    Sie setzt sich aufrecht hin, wirkt eingeschnappt, steht dann auf, scheint aber nicht so recht zu wissen, was sie tun soll, dann sieht sie Malik die Teller halten, nimmt sie ihm ab und bedeutet ihm, sich zu ihr zu setzen.
    »Keine Liebe ohne Eifersucht«, sagt sie an Malik gewandt. »Ich frage mich, ob es Bile je in den Sinn gekommen ist, daß ich mich oft überflüssig fühlte, wenn er und Jeebleh zusammen waren, sich in der Gesellschaft des anderen wohlfühlten, nie fiel ein unfreundliches Wort, ihre Gespräche flossen endlos dahin. Keine Frage, ich kam mir unwichtig vor. Wenn er mit

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