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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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schlimmer.«
    Mit ausgestreckten Händen, vielleicht um ihn zu umarmen, wartet Cambara darauf, daß er fortfährt. Sie wirkt so, als hätte sie einen Schleier vor den Augen und könnte keinen halben Meter weit sehen. Einen Moment lang steht Malik derart reglos da, daß es wirkt, als hätten Teile seines Körpers aufgehört zu funktionieren.
    Cambara erweckt ihn mit einem »Ja?« wieder zum Leben.
    »Ich habe Dajaal nur kurz gekannt«, fährt Malik fort, »aber ich werde ihn vermissen. Ich frage mich, was wäre, wenn ich nur noch eine knappe Seite zu schreiben hätte, aber vorher sterben würde? Es gab für Dajaal noch soviel zu tun, und irgendein bösartiger Mensch hat sein Leben einfach beendet.«
    Er verstummt. Gerade als sie sich umarmen wollen, hält sie lauschend in der Bewegung inne und weicht zurück.
    »Zweifellos ein Mann, dem man es nur schlecht recht machen konnte«, sagt sie, »aber manchmal ging Dajaal mit sich noch härter ins Gericht, als mit anderen, er hatte strenge Grundsätze. Er war loyal und aufrichtig, man konnte sich auf ihn verlassen. Wir werden ihn schrecklich vermissen. Er ist Teil unserer Lebensgeschichte, Biles und meiner. Oft hielt er unsere Welt zusammen, machte unser Zusammenleben einfacher, auch wenn er manchmal für kleine Reibereien zwischen Bile und mir sorgte. Aber ich mochte ihn, mochte ihn sehr.«
    »Ich denke oft darüber nach, wie in Romanen der Tod einem Zweck dient«, sagt Malik, »ich wünschte, ich wüßte, welchen Sinn ein derartiger Tod im richtigen Leben hat.«
    Cambara füllt Gläser, zwei große und ein kleines, tropft in eines der großen Gläser etwas hinein, vielleicht Medizin für Bile. Sie reicht ihm eines der großen Gläser, hebt ihr kleines. »Auf dein Wohl.«
    »Wie geht es Bile?« fragt er.
    »Er kommt sicher bald herunter«, verkündet sie.
    Und tatsächlich, kurz darauf gesellt sich Bile zu ihnen. Er sieht viel besser aus, wenn er auch etwas nervös wirkt, reibt im Rhythmus seiner bedächtigen Schritte Zeige- und Mittelfinger gegen den Daumen. Jeder Schritt bringt ihn seinem Ziel näher – einem weichen Sessel, der zwischen Cambara und Maliks Sitzgelegenheiten steht. Unwillkürlich registrieren sie die Langsamkeit seiner Bewegungen. Malik erhebt sich, um ihn zu umarmen.
    Cambara reicht ihm das unberührte Glas, küßt ihn auf die Stirn, dann auf die Lippen. »Dein Getränk, mein Lieber, mit der Medizin drin.«
    Er führt den Rand des Glases an die Lippen und nimmt ein Schlückchen, die Bewegung des Adamsapfels ist deutlich zu sehen, dann einen großen gierigen Schluck.
    In diesem Moment explodiert ganz in der Nähe eine Panzerfaust. Das Haus bebt leicht, die Fensterscheiben erzittern, die Prismen des Kronleuchters klirren, ein klimperndes Geräusch, das Malik entfernt an eines der Aufziehspielzeuge seiner Tochter erinnert.
    »Tja, was sagt man dazu?« bemerkt Malik.
    Bile, der hinsichtlich der Kampfhandlungen stets auf dem neuesten Stand ist, da er wie besessen HornAfrik hört, hat mitbekommen, daß Panzerfäuste in Richtung der Villa abgefeuert werden, in der sich die Äthiopier und der Übergangspräsident niedergelassen haben. »Vorhin konnten wir spüren, wie eine übers Haus zischte. Einige meinten im Radio, sie könnten das Haus identifizieren, in dem sich die Aufständischen, die die Panzerfäuste abfeuern, verkrochen hätten.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Dann hörten sie Gegenfeuer aus der Richtung der Präsidentenvilla, die Äthiopier setzten schwerere Geschütze ein, die mehr Schaden verursachten, noch mehr Tote zur Folge hatten.«
    »In allen Kriegen habe ich erlebt, daß Panzerfäuste ihr eigentliches Ziel verfehlten«, erzählt Malik, »und es Opfer unter der Zivilbevölkerung gab.«
    »Das kümmert hier keine der kriegführenden Parteien«, äußert sich Bile. »Den Äthiopiern macht es Spaß, noch mehr Somalier umzubringen, und die Aufständischen gehen als Extremisten schon von Natur aus mit ebenso unentschuldbarer Brutalität vor.«
    »Laut den Radioberichten verfehlen tatsächlich viele Bomben ihr ursprüngliches Ziel«, sagt Cambara, »und fordern unter der Zivilbevölkerung extrem viele Opfer.«
    »Malik ist bestimmt daran interessiert, einige der zerstör­ten Häuser aufzusuchen und etwas über die Menschen herauszubekommen, die getötet wurden«, meint Bile.
    »Die Al-Schabaab hat das Attentat auf Dajaal verübt«, sagt Cambara.
    »Und die Äthiopier bringen Zivilisten um.«
    »Völlig willkürlich«, merkt Cambara an.
    Bile hat

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