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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Umweltverschmutzer«, sagt sie.
    Sie schweigen lange.
    »Die Union mit einem faulen Ei zu vergleichen, ist durchaus treffend«, sagt Bile schließlich. »Aber es bestand immerhin die Möglichkeit, mit ihnen zu verhandeln. Jetzt befinden sie sich in politischer Isolation, weil sie irrtümlich angenommen haben, daß sie mit den Waffen aus Eritrea die Äthiopier hier besiegen und dann bis Addis Abeba marschieren und es einnehmen können. Leichter gedacht als getan.«
    Cambara starrt nachdenklich auf ihre Finger. »Du überraschst mich, ich hätte nie vermutet, daß du eine Schwäche für die Union hast.«
    »Ich verabscheue die äthiopische Besatzung und diesen Überganspräsidenten derart, daß ich jederzeit gern die Union wieder an ihrem Platz sähe«, sagt Bile. »Trotzdem würde ich mich wahrscheinlich an dem Wasser verschlucken, das ich dann zu trinken gezwungen wäre.«
    An einem anderen Tag würde Malik vielleicht bleiben, um das angenehme Geplänkel mit Bile fortzusetzen, ­besonders weil dieser momentan in so guter Verfassung ist. Doch jetzt zieht er sich ins Badezimmer zurück und schickt Qasiir eine SMS mit der Bitte, ihn demnächst ­abzuholen. Als er wieder zurückkommt, sagt er zu Bile und Cambara: »Jetzt ist es wahrscheinlich Zeit für eure Siesta, und ich habe noch jede Menge zu tun. Deshalb danke für das wunderbare Mittagessen und eure Gesellschaft.«
    »Ich werde Qasiir bitten, deine Sachen aus der Wohnung zu holen. Ich möchte, daß du in den Anbau ziehst, das ist sicherer«, sagt Bile in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet.
    »Wir haben alles, was du brauchst«, sagt Cambara.
    »Bitte keine Widerrede«, fügt Bile hinzu.
    »Ich werde zu euch ziehen«, sagt Malik, »aber erst morgen.«
    »Warum nicht gleich jetzt oder zumindest heute abend?«
    »Ich bin momentan sehr beschäftigt«, sagt Malik.
    »Das Hausmädchen wird alles vorbereiten.«
    »Dann also morgen.«
    Auf dem Weg zur Wohnung – Qasiir sitzt am Steuer – stellt Malik, fest daß er mehrere Anrufe verpaßt hat, die meisten von gestern abend. Ahl hat ihm eine sehr lange SMS geschickt, in der er ihm die letzten Neuigkeiten mitteilt. Er fühle sich bei Xalan und Warsame sehr viel wohler und schlägt Malik indirekt vor, ohne es in Worte zu fassen, er solle doch zu Cambara und Bile ziehen und schließt mit: »Sei stets auf der Hut.«
    Malik spürt Qasiirs Erregung, immer wieder verengt er die Augen, wie ein Kurzsichtiger, der auf einen weitentfernten Punkt starrt, und bewegt unablässig die Lippen.
    »Alles in Ordnung?« erkundigt sich Malik.
    »Ich habe Marduuf, den ehemaligen Piraten, in einem Teehaus aufgestöbert«, sagt Qasiir. »Er brodelt vor Zorn.«
    »Weißt du, wo er wohnt?«
    »Ich weiß auch, womit er sein Geld verdient.«
    »Und?«
    »Er verkauft Teppiche«, sagt Qasiir. »Nachdem ihm klar wurde, daß die Piraterie mehr Gefahren als Geld bringt, kaufte er mit dem Gewinn einen kleinen Pick-up und handelt seitdem mit Teppichen.«
    »Wann kann ich ihn treffen?« fragt Malik.
    »Eigentlich wann immer du magst.«
    »Du meinst, gleich jetzt?« fragt Malik aufgeregt.
    »Klar doch«, gibt Qasiir zurück.
    »Ich bin allerdings etwas erschöpft.«
    »Sag mir, wann es dir paßt.«
    Malik überlegt. Ein ehemaliger Pirat voller Haß auf die Al-Schabaab ist ein aussichtsreicher Kontakt. »Setz mich in der Wohnung ab und bring ihn dorthin.«
    Eine Zeitlang herrscht Schweigen. Dann wagt Malik die Frage zu stellen, die ihn schon länger beschäftigt. »Wie war die häusliche Situation deines Großvaters? Lebt deine Großmutter noch?«
    Schweigend lenkt Qasiir den Wagen, wie jemand, der versucht, eine schwierige Aufgabe einzuschätzen, und sagt schließlich: »Opa lebte allein in einem Haus, das sich beim Kauf in einem 1a-Zustand befunden hat. Seit kurzem verfällt es jedoch allmählich, das Dach ist undicht, die Farbe blättert ab, Wasser tropft durch und es bilden sich Pfützen, die Abwasserrohre sind defekt. Er sagte immer wieder, er würde sich um die Schäden kümmern und es dann entweder vermieten oder im Friedensfall verkaufen und sich eine Einzimmerwohnung kaufen.«
    »War jemand von ihm finanziell abhängig?«
    »Wenn du damit Frau und Kinder meinst, nein.«
    »Du bist sein einziger lebender Verwandter?«
    »Darf ich fragen, worauf du mit diesen Fragen hinauswillst?«
    »Also, bevor er gegangen ist, hat Jeebleh deinem Großvater mitgeteilt, er würde ihm einen monatlichen Scheck zukommen lassen. Hast du davon gewußt?« fragt Malik,

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