Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
Vom Netzwerk:
Jeebleh plauderte, dann sah Bile jünger, glücklicher, lebendiger aus. In Jeeblehs Gesellschaft schien er ausgelassener zu sein als in meiner, als fände er mich lästig wie ein Kleinkind, das ständig etwas will. Wenn wir allein sind, ist er weniger energiegeladen, redet kaum über existentielle Fragen, sagt nur, was ihm wo weh tut. Oft benimmt er sich, als hätte er mich als Krankenschwester eingestellt.«
    In der nun folgenden Stille murmelt sie etwas vor sich hin, scheint einen Moment lang verlegen. Der Ausbruch läßt sich nicht zurücknehmen, und mit klappernden Tellern stolziert sie in Richtung Küche.
    Malik macht den Streß, dem Cambara und Bile seit langem ausgesetzt sind, für ihren Ausbruch verantwortlich. Der Bürgerkrieg verlangt den Menschen enorm viel ab.
    Das Schweigen wird erst gebrochen, als sie zurückkommt und Malik und Bile fragt, ob einer von ihnen Tee oder Kaffee möchte. Um ihre Verärgerung zu verdeutlichen, dreht sie ihnen das Profil zu.
    »Warst du bei der letzten Auseinandersetzung zwischen Dajaal und Gumaad hier in der Wohnung dabei? Glaubst du, daß Dajaal Gumaad zu sehr provozierte?« fragt Bile.
    Malik ist der Ansicht, ein Zeuge ist kein Zeuge, und ohnehin kann er nicht beurteilen, ob diese Auseinandersetzung der Grund für Dajaals Tod war. Also stellt er Bile eine Gegenfrage. »Hat irgend jemand eine Vermutung, wer ihn umgebracht hat?«
    »Qasiir behauptet, er weiß es«, antwortet Bile.
    »Verdächtigt er die Al-Schabaab?«
    »Soweit ich ihn verstanden habe.«
    »Hat er konkrete Beweise?«
    »Es ist eine reine Mutmaßung«, sagt Bile, »und ich befürchte, das wird ihn davon abhalten, etwas zu unternehmen.«
    Immer noch macht Cambara einen unruhigen Eindruck. Sie rutscht auf ihrem Stuhl hin und her. »Die Al-Schabaab und ihre Verbündeten behaupten, sie seien Dschihadisten, dabei benehmen sich sie nicht einmal wie Muslime.« Sie steht auf, als wollte sie sie verlassen.
    »Das bestimmst nicht du«, sagt Bile. »Nur Gott hat das Vorrecht zu entscheiden, ob sie Muslime sind oder nicht.«
    »Warum werden dann die Attentate in Moscheen oder in der Nähe von Moscheen verübt?« fragt sie, als könnte die Antwort darauf alles erklären.
    »Die Morde sind politisch motiviert«, sagt Bile.
    »Werden diese Attentate eigentlich von der mit der Union verbündeten Fünften Kolonne verübt?« fragt Malik.
    »Nach dem zu urteilen, was Qasiir mir erzählt hat, ja.«
    »Will er damit andeuten, daß Dajaal selbst schuld ist, weil er sich öffentlich als Säkularist bekannt hat?« fragt Malik.
    »Die Al-Schabaab wußte die ganze Zeit über, wo Dajaal stand«, äußert Bile sich vorsichtig. Er war vor allem Demokrat und deshalb Säkularist. Es ist ein Wunder, daß sie ihn nicht schon früher umgebracht haben.«
    Malik wirft einen verstohlenen Blick auf Cambara, er nimmt an, ohne groß Beweise zu haben, daß sie, wenn sie nicht im Mittelpunkt steht, geschätzt, verhätschelt, geliebt und gelobt wird, eher der Typ ist, der sich abseits hält, so wie jetzt, sie hört ihrem Geplänkel zu, als beträfe es jemanden, den sie nicht kennt. Er versucht, sie wieder ins Gespräch einzubeziehen.
    »Wie ist deine Meinung, Cambara? Die Union ist weg – wir wissen, daß du weder von ihr noch ihrer radikalen Haltung begeistert warst. Jetzt sind die Äthiopier hier. Wie würde deine Antwort lauten, wenn ich dich fragte, welche Position du angesichts der neuen Situation vertrittst?«
    »Die Pest soll sie alle holen«, murmelt Cambara.
    »Wie das somalische Sprichwort sagt: Wenn du dich am Wasser verschluckt hast, wird es nicht helfen, Milch zu trinken«, sagt Bile.
    »Habe ich nicht genau das gesagt, nur daß du die Form eines Sprichworts gewählt hast?« will Cambara wissen.
    »Vielleicht will ich noch etwas anderes damit sagen«, gibt Bile zurück.
    »Bitte seid friedlich«, mischt sich Malik ein.
    »Ich behaupte, daß die Union ihre Lektion gelernt hat«, sagt Bile scharf, »und wenn sie eine zweite Chance bekommen, Somalia zu regieren, werden sie sich nicht so ­arrogant und unvernünftig wie beim ersten Mal benehmen. Natürlich wird es immer jene geben, die um jeden Preis einen islamischen Staat wollen, und es wird Splittergruppen geben, diese Fraktion gegen jene Fraktion und so weiter.«
    »Mit faulen Eiern ist kein Staat zu machen, und das ist die Union, ein faules Ei«, sagt Cambara selbstzufrieden.
    »Und was sind dann die Äthiopier?« will Bile belustigt wissen.
    »Gegen den Wind furzende

Weitere Kostenlose Bücher