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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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wollen, nach, und sei es nur, um sich auf das Unvermeidbare vorzubereiten. Er kniet sich direkt vor das Schlüsselloch, durch das er einen Blick auf die Gesichter der Männer erhaschen, ihre Bewegungen erkennen kann.
    Vollbart, so nennen die anderen den mit der violetten Kufija, ist in den Dreißigern, von gewaltiger Statur, stark behaart, hat eine rauhe Wüstenstimme, mit angespannten Gesichtszügen und gerunzelter Stirn hört er seinen Kumpanen zu, ermuntert den einen, zu sprechen, würgt die Kommentare eines anderen ab. Dhoorre nimmt an, daß Vollbart der Anführer der Gruppe ist. Seine violette Kufija , die er nun wieder auf dem Kopf trägt, ist säuberlich gefaltet. Immer wieder berührt er die Falten mit der Hand, streicht darüber und rückt sie zurecht, Dhoorre fühlt sich an eine junge Frau erinnert, die gerade vom Friseur kommt und deren Hände immer wieder zu ihrer teuren Frisur hochwandern. Dhoorre ist bekannt, daß die Kufija in letzter Zeit bei Mogadischus Extremistenelite in Mode gekommen ist. Er erinnert sich daran, daß Peter O’Toole als Lawrence von Arabien eine getragen hat und Arafat sie später zum Symbol Palästinas machte. Aber Dhoorre weiß nicht, ob die Farben der Kufijas, die diese Männer tragen, auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Zelle hinweisen.
    »Was treibt denn Fußknecht um?« stichelt Vollbart und wendet sich an VerkünderDerWahrheit, einen Mann mit großer Nase und Träger der roten Kufija.
    »Er muß aufs Klo«, antwortet VerkünderDerWahrheit, »siehst du denn nicht, daß er versucht, die Tür aufzukriegen?«
    »Ist Grünschnabel etwa ohne unsere Erlaubnis zurückgekommen?« fragt Vollbart.
    Fußknecht versichert Vollbart, daß Grünschnabel draußen sei. »Ich sehe ihn nämlich am Tor stehen und seine Gebete sprechen, die misbaha in der Hand.«
    Jetzt sieht Vollbart besorgt aus. »Wenn wir die einzigen im Haus sind, warum geht dann die Tür nicht auf?«
    VerkünderDerWahrheit geht zum Badezimmer und sieht nach, ob von außen ein Schlüssel in der Tür steckt. Er gibt der Tür einen Stoß, versetzt ihr einen Tritt und drückt dann mit der Schulter dagegen. Aber die Tür gibt nicht nach. »Sie ist wahrscheinlich von innen verschlossen«, sagt er zu Vollbart.
    »Wer soll denn drin sein?« fragt Fußknecht.
    Vollbart ist genervt. Er versetzt Fußknecht einen Stoß und brüllt: »Was für ein Mann bist du denn, daß du dir nicht mal das Pissen verkneifen kannst?«
    Er wendet sich an VerkünderDerWahrheit und weist ihn an, Grünschnabel hereinzurufen. VerkünderDerWahrheit stößt gegen Möbel, tritt gegen Stühle. Von der Tür aus brüllt er Grünschnabel zu: »Ist da jemand auf dem Klo?«
    Dhoorre weiß nicht, was er tun soll. Prüfend schaut er sein Gesicht im Spiegel an – selbst ein Sterbender möchte doch verhältnismäßig anständig aussehen. Besorgt fällt ihm ein, daß es jetzt mit dem Burschen aus sein wird. Zuerst hat er große Lust, die Tür aufzumachen und die Sache hinter sich zu bringen, im nächsten Moment fühlt er sich der Aufgabe nicht gewachsen. Ihm ist schwindlig, er zieht die Luft tief in die Lungen, befürchtet, ohnmächtig zu werden, bevor er die Tür aufmachen kann.
    Dann hört er den Burschen sagen: »Alter, mach die Tür auf.«
    Er sperrt die Tür auf und kommt heraus. Fußknecht kann nicht mehr länger warten und drängt sich eilig an ihm vorbei. VerkünderDerWahrheit und Grünschnabel weichen Dhoorre aus und halten Abstand. Vollbart fordert Dhoorre auf, näher zu kommen; tief dringen seine Augen in Dhoorres Angst ein. In einem Film wäre Vollbart derjenige, der abdrückt, ein knallharter Bursche ohne ein Fünkchen Milde. Bei so einem Mann weiß man nie, woran man ist.
    »Was machst du hier?« fragt Vollbart.
    »Ich wohne hier«, antwortet Dhoorre.
    Fußknecht kommt gerade rechtzeitig aus dem Bad, um den Satz mitzubekommen. Gleichzeitig richten sich die Blicke der drei Männer mit den Kufijas auf Grünschnabel.
    VerkünderDerWahrheit fragt den Burschen, ob das stimme.
    »Das ist ein Penner, der sich hier eingenistet hat«, sagt Grünschnabel.
    Fußknecht, verärgert, weil er so lange warten mußte, daß er sich beinahe naßgemacht hat, schlägt Dhoorre ins Gesicht. »Sag die Wahrheit.«
    Der abrupt aufflammende Schmerz überwältigt Dhoorre. »Ich sage die Wahrheit«, erwidert er.
    VerkünderDerWahrheit seinerseits schlägt Grünschnabel, der Schlag reißt dessen Unterlippe auf, die wieder zu bluten anfängt. »Ist er ein Penner, der sich hier

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