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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Dschibuti von Spionen aus den Vereinigten Staaten, Äthiopien und anderen Ländern nur so wimmelt. Sein Redefluß versiegt, er geht weg und kommt mit der Rechnung wieder, verkündet, es sei für ihn an der Zeit zuzumachen und sich mit seinen Freunden zu treffen. Ahl filtert das Wort sit heraus, das in Dschibuti, Jemen und überall sonst, wo Somalier leben, das Kauen von qaat bezeichnet.
    Auf dem Rückweg ins Hotel sind die Straßen leer, offenbar kauen alle qaat . Ahl kommt an einem verlassenen Gebäude vorbei, an dem die verschiedenen Farbschichten abblättern; im Giebel nisten Vögel, und eine Hündin mit ihren Welpen hat sich in einer ruhigen Ecke versteckt. Im Türsturz ist der Davidstern zu sehen. Ein riesiges Schloß, so groß wie ein Menschenschädel, und eine ebenso gewaltige Kette hängen an der Tür, beides rostbraun und verwittert.
    Während die Kathedrale in Mogadischu im allgemeinen Chaos zu Beginn des Bürgerkrieges dem Erdboden gleichgemacht wurde, steht in Dschibuti die Synagoge als Beweis des Friedens. Eines der ersten Opfer der Unruhen in Somalia war ein Italiener, Padre Colombo, der seit beinahe zwanzig Jahren in Mogadischu als Leiter des katholischen Waisenhauses gelebt hatte, einer der ältesten Einrichtungen der Stadt. In jüngerer Zeit hat eine Al-Schabaab-Gruppe die italienischen Friedhöfe geschändet, die Knochen ausgegraben und sie in der Gegend verstreut. Für Ahl ist das Vorhandensein einer Synagoge in einem Land mit muslimischer Mehrheit ein gutes Zeichen – um als kosmopolitisch zu gelten, müssen Städte Toleranz gegenüber andersartigen Gemeinschaften zeigen. Intoleranz war der Tod Mogadischus. Dschibuti ist eine lebendige Stadt, darauf können ihre Einwohner stolz sein.
    Im Hotel erfährt er, daß das Gebäude, das während der Kolonialzeit als Synagoge diente, in letzter Zeit nicht mehr als Andachtsort genutzt wird. »Aber es gibt Somalier, die behaupten, der echte verlorene Stamm Israels zu sein«, fügt der Mann an der Rezeption hinzu.
    »Gibt es dafür Beweise?« fragt Ahl.
    »Ihr Clanname, eine Berufsbezeichung – sie arbeiten mit Metall und Leder und fungieren für die anderen Clans als Seher –, hört sich beinahe wie eine Verballhornung von ›Hebräer‹ an.«
    Der Groschen fällt. Ahl kennt den Namen des Clans.
    Er schaut die aktuellen Fernsehnachrichten, und als das Büro der Fluggesellschaft wieder geöffnet hat, kauft er ein Ticket nach Bosaso; er bezahlt mit Dollars. Dann macht er nochmals einen langen Spaziergang und genießt den Tag in Dschibuti, ehe er nach Somalia weiterfliegt.
    Um die nächtliche Stadt zu erleben, macht er einen Streifzug, ohne sich um seine Sicherheit Gedanken zu machen. Vor dem Eingang eines Nachtclubs stehen eine Schar Männer und ein Halbdutzend Freudenmädchen. Er bezahlt den Eintritt und geht hinein. Die Musik ist schrecklich. Auf der Tanzfläche befinden sich vier Paare, von denen nur zwei tanzen, die anderen reden und rauchen. In einer Ecke findet er einen Tisch und setzt sich. Was hat er zu verlieren? Er bezweifelt, daß es in Bosaso Nachtclubs gibt oder daß Alkohol öffentlich angeboten wird; man hat Angst vor den Extremisten.
    Eine Frau mit einer Zigarette zwischen den Lippen, das Kleid obenherum eng, so daß die Brüste dekorativ nach oben gedrückt werden, möchte Feuer. Instinktiv beklopft Ahl seine Taschen, als könnte dort ein Feuerzeug oder eine Streichholzschachtel zu finden sein. Er schüttelt den Kopf und schreit, die hellen Handflächen ihr zugewandt, gegen die Musik an: »Tut mir leid, ich rauche nicht.«
    »Das braucht dir nicht leid zu tun. Bist du allein?«
    Er tut, als hätte er ihre Frage nicht gehört. Sie setzt sich trotzdem, und als sie sich dazu nach vorn beugt, nimmt er ihr Parfum wahr. Wie soll er ihr erklären, daß er bloß deswegen in diesem Nachtclub ist, weil er mal einen besuchen wollte? Allerdings hat er seit Taxliils Verschwinden nicht mehr mit seiner Frau geschlafen.
    »Wenn du nichts dagegen hast, für ein Schwätzchen und sonst nichts bei mir zu sitzen«, sagt Ahl, »dann lade ich dich auf ein Getränk deiner Wahl ein.«
    »Ich sitze bei dir, bis ich einen Kunden finde.«
    »Gut.«
    Sie bestellt Hochprozentiges, eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug. Der Kellner besteht darauf, daß der Schnaps im voraus bezahlt wird.
    »Woher kommst du?«
    »Ich bin auf dem Weg nach Somalia.«
    »Warum gehst du in ein Land, das alle anderen verlassen?«
    »Vielleicht hat meine Reise einen Grund«, sagt er und

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