Gekapert
Essen auf den Tisch zu stellen, nur um festzustellen, daß ihr Ehemann nicht einmal mit einem Bissen ihre Bemühungen anerkennt. Bosaso ist nicht Toronto, wo eine Gastgeberin ihre Gäste mit gekauftem Essen, das wie selbstzubereitet schmeckt, bewirten kann. Hier mußte Xalan ein lebendes Huhn kaufen und schlachten lassen, Tage auf der Suche nach frischem Hummer, frischem Fisch verbringen. Er betrachtet sie mit einer Mischung aus Vorsicht und Bewunderung, fühlt sich für Warsames Abwesenheit verantwortlich.
»Herzlich willkommen in unserem Heim, Ahlul K hair«, sagt sie.
»Danke, danke sehr.«
»Deine Anwesenheit in unserem Heim heitert mich auf.«
»Nochmals vielen Dank.«
Er nimmt einen ersten Bissen des köstlichen Lammgerichts; er spürt die Liebe, mit der sie dieses Essen zubereitet hat. Während er ißt, redet er, registriert lieber nicht, welche Mengen er verzehrt. Er erzählt ihr alles über Taxliil, von der ersten Begegnung mit seinem Stiefsohn bis zu dem Tag, an dem er verschwand. Auch von Malik und Jeebleh erzählt er, und wie sie ebenfalls alles tun, um den Ausreißer aufzuspüren.
Als er sich satt gegessen hat, bietet sie ihm einen Nachtisch an, aber er sagt, den würde er lieber auslassen, ebenso Tee oder Kaffee. »Sieh mal nach, was die Männer im madschlis treiben«, sagt sie. »Ich bitte nur noch das Mädchen, den Tisch abzuräumen, dann bin ich bei euch.«
Auf Xalans Ruf hin erscheint das Hausmädchen: klein, gedrungen, von unbestimmbarem Alter, ihre Iris hat einen blauen Ring, der typisch ist für die Menschen, die im Flußland leben. »Wenn du abgewaschen hast, richte bitte das Gästezimmer her, eventuell wird es ab morgen früh benötigt.«
Ahl meidet Xalans Blick, fürchtet, einer von ihnen könnte etwas Verletzendes sagen.
Als Ahl den madschlis , den Salon, betritt , beachten Warsame und Fidno ihn nicht. Sie sind völlig damit beschäftigt, ihren Körper mit dem Stoff zu versorgen, nach dem er giert. Sie lümmeln in Sarongs auf dem Teppichboden, dicke Kissen an den Wänden, hinten brennt in einer Ecke Weihrauch. Fidno trägt ein T-Shirt, Warsame ein Unterhemd. Sie kauen unentwegt, plaudern über Politik, Piraterie, Terrorismus, Al-Schabaab und alles, was ihnen sonst in den Sinn kommt.
Eine Zeitlang sieht er ihnen zu, wie sie sich die Backen vollstopfen und dazu Wasser, Coca-Cola und gezuckerten Tee schlürfen. Irgendwann kann sich Ahl nicht mehr beherrschen, er gähnt ausgiebig und klagt, die lange Reise habe ihn erschöpft. Warsame ruft nach Xalan, jemand solle ihren Gast nach Hause bringen. Als sie anbietet, ihn selbst zu fahren, lehnt er ab. »Das ist nicht nötig. Sag einem der Fahrer Bescheid.«
Ahl hat es eilig, sich zu verabschieden, ermahnt sich, seinen Laptop nicht zu vergessen, nimmt ihn an sich, bevor er Xalan umarmt. »Danke und bis bald.« Der Fahrer hilft ihm in den Wagen, der einen ziemlich hohen Einstieg hat. Er ist so müde, daß ihm unweigerlich die Augen zufallen, er hält sie fast die gesamte Fahrt über geschlossen. Es ist stockfinster, wahrscheinlich weil es keine Straßenbeleuchtung oder einen Stromausfall gibt. Als sie das Hotel erreicht und die Sicherheitsschranke passiert haben und er feststellt, daß der Hotelgenerator offensichtlich funktioniert und die Lichter brennen, fühlt er sich bereits nicht mehr so müde.
Oben in seinem Zimmer ruft er Malik an, der fürchterlich aufgeregt ist, seine Stimme zittert und überschlägt sich. Er gibt einen Satzwirrwarr von sich, die Worte ergeben keinen Sinn.
»Langsam, langsam. Noch einmal: Über wen reden wir hier?«
»Dajaal«, sagt Malik.
Ahl hat Dajaal zwar nie kennengelernt, weiß aber, um wen es sich handelt.
»Was ist mit Dajaal passiert, erzähl es mir.«
»Sie haben einen Anschlag auf ihn verübt.«
Ahl ist klar, wer mit »sie« gemeint ist.
»Wann und wie ist es passiert?«
»Er hat mich zur Wohnung zurückgefahren und ist dann allein nach Hause«, sagt Malik. »Einen halben Kilometer von Dajaals Wohnblock entfernt hat auf der Beifahrerseite eine ferngesteuerte Bombe eingeschlagen; wenn ich mitgefahren wäre, hätte ich dort gesessen. Jeebleh und ich fragen uns, ob sie vielleicht mich umbringen wollten.«
»Ist Dajaal schwer verletzt?«
»Gott sei Dank ist er unverletzt.«
»Aber das Auto ist beschädigt?«
»Wir betrachten es als Warnung. Die mir gilt.«
»Du hast aber doch nicht vor, abzureisen?«
»Auf keinen Fall.«
»Wirst du zu Bile und Cambara ziehen?«
Ahl kommt nicht gegen seine
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