Gekauft für den Harem
sie im Begriff gewesen war, das Hemd verkehrt herum überzustreifen.
Auch Harriet lächelte, als sie merkte, dass die Angst von Marguerite abzufallen begann. Für den Augenblick war die Cousine beruhigt, weil die meisten Frauen im Harem ihr freundlich begegneten, aber natürlich ahnte sie nicht, dass sie dazu ausersehen war, dem Prinzen zum Geschenk gemacht zu werden. Harriet nahm sich vor, es ihr so lange wie möglich zu verschweigen.
Es musste einen Weg geben, an den Kalifen heranzutreten. Wenn sie mit ihm sprechen konnte, würde es ihr sicher gelingen, ihn zur Freilassung zu überreden.
Ob sie Kasim je wiedersehen würde? Es war ihr so vorgekommen, als hätte er es für einen winzigen Moment bereut, sie hergebracht zu haben; als wäre er versucht gewesen, ihnen zu helfen. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er in letzter Minute Mitleid mit ihnen gehabt hatte, doch gleichzeitig schien er genauso rücksichtslos und barbarisch wie der Kalif. Andernfalls hätte er sie niemals diesem Schicksal überlassen.
Tief in Gedanken wanderte Kasim durch die von schlanken Säulen flankierten lichten Korridore des Palastes. Er war am Grübeln, seit dem Moment, da er die Engländerinnen an der Pforte zum Harem abgeliefert hatte, und ohne dass er sich erklären konnte, warum, verspürte er eine tiefe Beunruhigung. Lady Harriets anklagender Blick, als ihre Cousine von Sulian fortgeführt worden war, ging ihm jetzt noch durch und durch. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er Marguerite wieder herausgeholt und sie und Lady Harriet zurück in ihre Heimat gebracht. Doch als Prinz Hassan mit seinen Janitscharen in dem Lager am Fluss aufgetaucht war, hatte Kasim gewusst, dass der Zeitpunkt für eine solche Maßnahme endgültig verpasst war.
Zum wiederholten Male warf er sich vor, dass er die Frauen nicht sofort nach England gebracht hatte, und versuchte sich einzureden, dass sie dadurch, dass er sie für den Harem des Kalifen erworben hatte, wenigstens einem schlimmeren Schicksal entgingen. Khalid war kein junger Mann mehr und ließ nur noch selten nach einer seiner ikbals, den Haremsfrauen für eine Nacht, rufen. Außerdem hatte er eine Favoritin, mit der er viel Zeit verbrachte. Wahrscheinlich würde Lady Harriet ihren Platz im Harem finden, ohne je die Aufmerksamkeiten des Kalifen erdulden zu müssen. Es gab viele Frauen, die sich nichts Besseres vorstellen konnten, als im Harem zu leben; besonders dann, wenn sie in ihren eigenen Ländern nicht darauf hoffen konnten, eine Ehe einzugehen.
Kasim schätzte Lady Harriet auf Mitte bis Ende zwanzig. Sie war ansehnlich, aber keine Schönheit. Da sie offenbar über eigenes Vermögen verfügte, musste sie sich irgendwann entschieden haben, nicht zu heiraten. Er fragte sich, welches ihre Gründe gewesen sein mochten, und bedauerte, dass er sich nicht danach erkundigt hatte, solange es möglich gewesen war.
Doch auf dem Schiff hatte er versucht, ihr aus dem Weg zu gehen. Weil sie, wie ihm nun klar wurde, gefährliche Gefühle in ihm weckte und sein Gewissen ihn mehr geplagt hatte, als er sich eingestehen mochte. Womöglich hätte er ihre Freilassung in die Wege leiten können, doch was war damit gewonnen, wenn sie nicht ohne ihre Cousine gehen wollte? Und wenn der Kalif Marguerite einmal gesehen hatte, würde er sie unwiederbringlich für seinen Sohn beanspruchen.
Hassan war noch nicht über die Wünsche seines Vaters informiert, jedenfalls soweit sie seine Zukunft betrafen. Kasims wochenlange Abwesenheit und der Zweck seiner Mission allerdings hatten seine Neugier erregt, und daher war er ihm entgegengeritten. Er hatte die Neuerwerbungen für den Harem sehen wollen, sobald er der beiden verschleierten Frauen ansichtig geworden war, doch nachdem Kasim ihm gesagt hatte, dass er auf die Erlaubnis des Kalifen warten müsse, hatte der Prinz seine Ungeduld gezügelt.
„Normalerweise gestattet mein Vater, dass ich mir eine von den neuen Frauen aussuche“, hatte er zuversichtlich erklärt. „Aber sag, Kasim, sind sie schön?“
„Die eine ja – die andere ist eine Zankteufelin.“ Im Stillen hatte Kasim sich gefragt, was ihn veranlasste, Harriet bei dem unschmeichelhaften Schimpfnamen zu nennen, der ihr von Yuri verpasst worden war.
Was sollte er wegen der Engländerinnen, die er in Algier gekauft hatte, unternehmen? Eine steile Falte erschien an seiner Nasenwurzel, als ihm klar wurde, dass das Schicksal der beiden Frauen nicht mehr in seinen Händen lag. Er hatte sie zum Harem
Weitere Kostenlose Bücher