Geklont
das in fünf Tagen neun Jahre alt wird, nach dem Prinzip der Parentalen Identität rechtlich der Person Ariane Ernorys entspricht und daß ohne gegen das Kind und ihre Betreuer erhobene Anklage keine Entscheidung über Ariane Emorys Besitz getroffen werden kann, aus welchem Anlaß auch immer. Ein zweiter Antrag verfolgt eine rechtliche Verfügung gegen die Aktivitäten des Untersuchungsausschusses mit der Begründung, daß ihre Ermittlungen die Privatsphäre eines minderjährigen Kindes berühren und sein Wohlergehen und seine Besitzrechte gefährden.
Die Neuigkeiten wurden in der Hauptstadt bekannt, als der Ausschuß einen Antrag vorbereitete, der die Herausgabe von Aufzeichnungen aus Reseunes Archiven fordern sollte, die der Arbeit der früheren Rätin entstammen, mit der Begründung, daß diese Aufzeichnungen Informationen über andere, mit Gehenna vergleichbare, geplante oder durchgeführte Projekte enthalten konnten.
Mikhail Corain, Vorsitzender der Zentristen-Partei und Rat des Bürgeramts, erklärte: › Es ist ein offensichtliches Manöver. Reseune ist auf einem Tiefstipunkt angelangt. ‹
James Morley, Hauptanwalt Reseunes, bemerkte zu diesem Kommentar: › Wir hätten es gern vermieden, einen solchen Prozeß anzustrengen. Die Privatsphäre und das Wohlergehen des Kindes sind unser Hauptanliegen gewesen, von ihrer Zeugung an. Wir können es nicht zulassen, daß sie zum Opfer der Parteipolitik wird. Sie hat ihre Rechte, und wir vertrauen darauf daß das Gericht diesen Punkt berücksichtigen wird. Ihre Identität steht nicht in Frage. Ein einfacher Labortest kann sie bestätigen .‹
Die Administration Reseunes war zu keiner Stellungnahme bereit ...«
II
Manchmal glaubte Ari, sie sei verrückt, weil sie zweimal pro Stunde das Gefühl hatte, daß alle sie anlogen, und manchmal auch wieder nicht, daß es wirklich eine Ari Emory gegeben hatte, bevor sie auf die Welt gekommen war.
Aber an dem Abend, als sie aus dem Bett aufstehen und, den Arm noch immer in einer Schlinge, im Bademantel ins Wohnzimmer kommen konnte, hatte Onkel Denys gesagt, er habe ihr, Florian und Catlin etwas zu zeigen; und er hatte ein Album mit eingeklebten Bildern und alten Faksimiles bei sich.
Er ließ sie gemeinsam am Tisch Platz nehmen, er selbst an ihrer linken und Florian und dann Catlin auf ihrer rechten Seite, und schlug das Album auf, indem er es so hinlegte, daß vor allem Ari es sich anschauen konnte, ein Buch voller Photos und Hologramme und verblaßter Papiere, denen man ihr Alter ansah. Er zeigte ein Bild von ihr, wie sie mit einer Frau, die Ari noch nie gesehen hatte, im vorderen Säulengang des Hauses stand.
»Das ist Ari, als sie klein war«, erklärte Onkel Denys. »Das ist ihre Mama. Sie hieß Olga Emory.« Er schlug ein anderes Bild auf. »Das ist James Carnath. Das war dein Papa.« Das wußte sie. Es war das Bild, das Mama ihr einmal gezeigt hatte.
Das Mädchen auf dem Bild sah genau wie sie aus, aber es war nicht ihre Mama; aber es war der richtige Name für ihren Papa. Es stimmte alles nicht. Es war sie, die da stand. Ohne Frage. Aber die Haustüren sahen anders aus. Etwas. Nicht so wie heute.
Sie hatte ein immer unangenehmeres Gefühl im Magen. Onkel Denys blätterte um und zeigte ihr Bilder vom alten Reseune, als das Haus noch nicht so groß gewesen war, als die Stadt nur aus ein paar alten Baracken bestand und die Felder ganz klein waren. Es fehlten einige große Gebäude wie die AG-Scheune, viele der Fabriken und die Hälfte der Stadt, und diese Ari ging mit ihrer Mama über eine Straße, die zwar dieselbe, in einer Stadt, die eine ganz andere war.
Ein Bild zeigte diese Ari, wie sie mit einem anderen Lehrer im selben Klassenzimmer saß wie sie, das Gesicht verkniffen, während sie einen Tonkrug ansah, der ihrem Gesicht ähnelte, wenn sie Hmmm machte. Ari schlug der Anblick auf den Magen, und sie erinnerte sich, was für ein Gefühl das war, wenn sie selbst ein solches Gesicht zog.
Aber sie hatte nie eine Bluse wie diese besessen, und sie trug nie eine solche Spange im Haar.
Sie fühlte sich im Innern ganz krank, weil es alles so echt wirkte, weil Mama sie wirklich reingelegt hatte, und weil sie in den Augen von Florian und Catlin, von allen so dumm erscheinen mußte, wie sie befürchtet hatte. Aber sie konnte den Blick nicht von diesen Bildern abwenden, sie konnte nichts tun außer dazusitzen, während ihr Arm in dem blöden festen Verband schmerzte, und sich leichtsinnig und dumm vorzukommen,
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