Geklont
gesagt.
Sie war unheimlich froh, daß es vorbei war. Sie fühlte sich innerlich so verletzt wie außen, und Onkel Denys gab ihr dauernd Aspirin, und Dr. Ivanov hatte ihr einen Schuß verabreicht, nach dem sie sich, wie er sagte, etwas wacklig fühlen, der ihr aber helfen würde, den Gottesdienst durchzustehen.
Sie wünschte, er hätte darauf verzichtet. Sie hätte einiges davon gern etwas klarer gehört, und es war alles in ihrem Kopf umhergewirbelt und hatte widergehallt.
Das tat es immer noch, trotzdem brachte sie Nelly zur Tür und bat sie, Catlin und Florian zu schicken, ins Bett zu gehen und das Band zu nehmen, das Dr. Ivanov ihr empfohlen hatte.
»Ja«, sagte Nelly und sah elend dabei aus.
Ari biß sich wieder in die Lippe. Sie konnte sich kaum zurückhalten, Nelly anzuschreien. Statt dessen ging sie ihre Fische füttern und beobachtete sie, wie sie hinter dem Futter herjagten und zwischen den Pflanzen hin und her flitzten. Es waren eine Menge Junge dabei. Eine der Großen hatte ihre zur Welt gebracht. Und ihr größtes Männchen schwamm in dem Tank mit den häßlichen Weibchen, um dafür zu sorgen, daß die Jungen hübscher werden würden. Florian konnte ihn für sie mit dem Netz herausfischen und in seinen eigenen Tank zurückbringen: Sie hatte Angst, daß sie ihm mit dem Netz weh tat, wenn sie mit der linken Hand vorging.
Morgen. Sie war nicht in der Stimmung, heute abend etwas mit ihnen zu machen.
Catlin und Florian kamen herein, noch immer in Uniformen, und sahen besorgt aus, so wie die ganze Zeit schon, seit sie von Mamas Tod erfahren hatten. Sie konnten nicht einmal halbwegs nachvollziehen, wie sie sich fühlte, das wußte sie, aber es tat ihnen dennoch weh, weil es ihr weh tat.
Florian hatte ihr gesagt, er fühle sich schrecklich schuldig wegen ihrem Arm, und dann noch das mit ihrer Mama, und fragte sie, ob es etwas gäbe, was sie beide für sie tun könnten.
Sie wünschte, es gäbe etwas. Aber es war nicht seine Schuld, auch wenn er sich schlecht fühlte: Sie sagte ihm das und fragte ihn, ob er ein Band brauche, was ihre Pflicht war, wenn ihr Azi zu ihr kam.
Onkel Denys hatte ihr das gesagt.
»Nein«, hatte Florian sehr schnell, sehr bestimmt geantwortet. »Das wollen wir nicht. Was wäre, wenn Sie uns brauchten und wir in der Klinik wären? Nein. Darauf wollen wir es nicht ankommen lassen.«
»Ich möchte, daß ihr heute nacht hier bleibt«, sagte Ari, als sie eintraten.
»Ja, Sera«, erwiderte Florian; und Catlin fügte hinzu: »Wir holen unsere Sachen«, als ob es sie beide glücklich mache.
Ari fühlte sich besser, wenn die beiden bei ihr waren, wenn niemand sonst da war. Es war schwer, dort hinauszugehen, wo so viele Leute waren, so als habe sie keine Kleider an, als sei sie aus Glas gemacht, und man könne alles sehen, was in ihr vorging und alles herausfinden, was sie nicht jeden wissen lassen wollte. Bei Florian und Catlin dagegen hatte sie nie dieses Gefühl. Sie waren echte Freunde, und sie konnten im selben Zimmer schlafen und einfach im Pyjama beieinander sitzen, obwohl Florian ein Junge war.
Und hinter verschlossener Tür und nur in ihrer Gesellschaft konnte sie dieses bedrängende Gefühl loswerden, das ihren gebrochenen Arm schmerzen und ihr übel werden ließ und sie müde machte, müde von den vielen Schmerzen.
»Sie haben viele nette Dinge über Mama gesagt«, erzählte sie, als die beiden ihre Decken in der Ecke ausgebreitet, ihre Pyjamas angezogen und sich am Fußende ihres Bettes bequem gemacht hatten.
Viele von den Angestellten waren wirklich Mamas Freunde gewesen. Vielen von ihnen tat es sehr leid, und sie vermißten sie wirklich. Tante Victoria hatte getrauert und war erschrocken, als Leute vom Sicherheitsdienst zu ihr kamen und ihr wahrscheinlich sagten, sie solle aufhören zu weinen, oder sie baten zu gehen; sie war daraufhin sehr wütend geworden: Deshalb hatte sie gleich danach den Garten allein verlassen, während Dr. Ivanov erzählte, wie Mama den Flügel Eins geleitet hatte.
Es gab viele Dinge, über die sie mit Florian und Catlin gerne laut gesprochen hätte. Aber sie würde es ihnen auf jeden Fall sagen, das war kein Problem. Es dauerte nur länger.
An dem Gottesdienst hatten eine Menge erschütterter Leute teilgenommen, und es war seltsam, einen welch anderen Eindruck sie machten als die Reporter. Den Reportern hatte es leid getan. Reseune tat es auch leid; aber einige von ihnen waren wütend wie Ari, vielleicht aus dem Grund, weil es nicht fair war,
Weitere Kostenlose Bücher