Geklont
Aber heute nachmittag wirst du ein Band bekommen. Wenn du Fragen hast, kannst du mich oder Dr. Wojkowski anrufen, wen du auch bevorzugst - es könnte sein, daß sie ein bißchen besser darin ist.«
Sie rümpfte die Nase, weil sie nicht so recht wußte, worüber er redete, es war ihr nur peinlich, im Bademantel dazusitzen, auch wenn sie sonst noch weniger trug, und annehmen zu müssen, daß es sich um Sex und Jungs drehte und daß es ihr furchtbar peinlich sein würde, sollte sie Dr. Ivanov zuhören müssen, wenn er ihr erklärte, was sie sich längst zusammengereimt hatte.
Verstehst du? würde er sie alle paar Sätze fragen, und sie würde ja sagen, weil er sonst nicht zufrieden sein würde.
Aber er sprach es nicht an. Er sagte ihr nur, sie solle in die Bibliothek gehen, sie müsse sich mit dem Band beschäftigen.
Sie gaben es ihr mit nach Hause, um es mit dem Heimgerät abzuspielen, also war es keins von den Talentbändern, die sie nur im Beisein eines Technikers verwenden durfte.
Es war ganz sicher keins, schloß sie, als sie den Titel sah. Menschliche Sexualität. Es war ihr peinlich vor dem Bibliothekar, ausgerechnet einem Mann, und sie steckte es in ihre Tasche und brachte es gleich nach Hause, froh darüber, daß Seely unterwegs war, Nelly ihrem Tagesjob nachging und sich auch sonst niemand in dem Apartment aufhielt.
Sie befestigte das Pflaster über ihrem Herzen, legte sich auf das Sofa in der Bandnische und schluckte die Pille. Als sie zu wirken begann, drückte sie den Knopf.
Und war auf eine unbestimmte, vom Band benebelte Weise froh, daß sie dies nicht hatte nehmen müssen, während irgendein Techniker neben ihr saß.
Es gab tatsächlich Dinge, die sie nicht gewußt hatte, ganz andere Dinge als bei den Pferden, und Dinge, die genauso liefen, und andere, die Dr. Edwards im Biologieunterricht gestreift, aber nicht wirklich mit Bildern und in dem Detailreichtum erklärt hatte, den das Band gewährleistete.
Als es vorüber war, lag sie da, erholte sich von der Pille und fühlte sich ganz komisch - nicht schlecht. Überhaupt nicht schlecht. Aber so, als ginge etwas mit ihr vor, was sie nicht kontrollieren konnte, was sie Onkel Denys oder Seely ganz sicher nicht wissen lassen wollte.
Es hatte zweifellos etwas mit Sex zu tun. Und es war schwierig, schließlich aufzustehen und sich gedanklich davon zu lösen. Sie überlegte, das Band noch mal laufen zu lassen, nicht, weil sie sich nicht erinnern würde, sondern weil sie das Gefühl noch mal ausprobieren wollte, um zu sehen, ob es so war, wie sie es in Erinnerung hatte.
Dann fürchtete sie, es könne nicht dasselbe Gefühl sein, und das wollte sie nicht. Deshalb legte sie das Band in ihre Tasche zurück, auch weil sie nicht wollte, daß es in ihrem Zimmer herumlag, wo Nelly es finden und sie komisch ansehen mochte, trank ein Glas Orangensaft, um ihren Kreislauf wieder einigermaßen in Schwung zu bringen, und ging den ganzen Weg zur Bibliothek zurück, um es in den Rückgabeschlitz zu werfen.
Dann ging sie zum Mittagessen und zum Unterricht, aber ihre Konzentration war zunichte gemacht. Selbst Dr. Edwards musterte sie stirnrunzelnd, als ihm ihre Zerstreutheit auffiel.
Sie schrieb ihren Bericht über das Füllen. Es war ein langer Tag, weil fast alle beschäftigt waren, Onkel Denys, Seely und Nelly und sogar Florian und Catlin, die seit drei Tagen an einer Übung teilnahmen, die bis zum Ende der Woche dauern würde.
Sie ging hinüber ins Guppy-Labor, um zu sehen, ob Amy da war. Statt dessen traf sie Tommy an. Tommy wollte sie eigentlich nicht sehen, aber sie setzte sich und unterhielt sich eine Weile mit ihm. Tommy arbeitete mit den Roten an etwas, über das sie ihm einige Auskünfte geben konnte.
Dann ging sie nach Hause, um noch ein paar Hausarbeiten zu machen. Allein.
»Ari«, sagte Onkel Denys über den Automatischen Haushälter, als sie gerade aß und noch immer in ihrem Zimmer an den Hausaufgaben arbeitete. »Ari, ich möchte mit dir in meinem Studienzimmer reden.«
O Gott, dachte sie. Onkel Denys wird mich über das Band ausfragen. Sie wäre lieber gestorben.
Aber es war noch peinlicher, deswegen Theater zu machen. Deshalb stand sie auf, schlich rüber und stand in Onkel Denys Tür.
»Oh. Ari. Da bist du ja.«
Ich werde wirklich sterben. Gleich hier. Auf der Stelle.
»Ich möchte mich mit dir unterhalten. Setz dich!«
Gott. Und ich muß ihn auch noch ansehen.
»Ari, du wirst allmählich älter. Nelly hat dich wirklich gern - aber
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