Geködert
ein paar Worte mit mir geredet hätte, blieb ich. »Was hältst du von ihm?« fragte sie, als alle anderen weg waren.
»Der alte Creepy? Ein richtiger Witzbold«, sagte ich.
»Unterschätze ihn nicht«, sagte sie. »Er weiß noch immer, wo es langgeht.«
Ich hatte das Gefühl, sie hatte Creepy eingeladen, um mir vorzuführen, welche Verbindungen sie hatte, welcher Art der Einfluss war, den sie im Außenministerium geltend machen konnte, wenn es darauf ankam. »Du wolltest mit mir reden?«
»Ja, Bernard.«
»Gib mir noch was zu trinken«, sagte ich. Sie holte die Flasche Scotch vom Abstelltisch und stellte sie vor mich hin auf ein Exemplar der Zeitschrift Nouvelle Cuisine. Auf dem Umschlag sah ich angekündigt: »Eine gelungene Schokoladenroulade in zehn leichten Schritten«. Sie goß mir keinen Whisky ein, sondern ging zum Kamin und fing an, irgend etwas, das auf dem Sims stand, hin und her zu rücken. »Seitdem der arme Jim ermordet worden ist …«, begann sie, ohne sich umzudrehen.
Ich nehme an, ich erriet, was sie sagen wollte – um die Wahrheit zu sagen, ich fürchtete mich davor –, denn ich versuchte sofort abzulenken. »Ist ermordet das richtige Wort?« fragte ich.
Sie drehte sich zornig zu mir um. »Zwei Mann lauern ihm auf und schießen ihn tot. Sechs Kugeln. Wie nennst denn du das? Ist das nicht eine verdammt bizarre Art, Selbstmord zu begehen?«
»Doch. Rede weiter.« Ich warf etwas Eis in mein Glas und goß reichlich Whisky dazu.
»Ich habe wegen der Beerdigung gefragt. Ich habe gesagt, ich wollte daran teilnehmen und habe das Fahrgeld dafür verlangt.«
»Und?«
»Alles längst gelaufen. Verbrannt!« Sie stieß dieses Wort mit einem Abscheu hervor, als bezeichne es etwas Obszönes – was sie vermutlich auch dachte. »Verbrannt«, wiederholte sie. »Und mich als seine Frau haben sie nicht mal gefragt!« Sie klang verbittert. Da sie katholisch war, fühlte sie sich doppelt beleidigt.
»Ach, übrigens hat er dir was hinterlassen.« Sie gab mir einen Pappkarton. Ich öffnete ihn und fand darin einen kleinen Stapel Papiere über mesopotamische Grabinschriften, darunter auch welche, an denen Fiona gearbeitet hatte. Ich erkannte ihre Handschrift. »Für mich?« fragte ich. »In Jims Testament?«
»Es gibt kein Testament; nur einen Brief, den er bei seinem Anwalt hinterlegt hat. Was nach seinem Tod erledigt werden muss. Ist von einem Zeugen unterschrieben. Gilt als testamentarische Verfügung, habe ich mir sagen lassen.«
»Und du bist ganz sicher, dass ich diese Papiere haben sollte? Daran war ich doch nie interessiert.«
»Vielleicht solltest du sie Fiona schicken«, antwortete sie. »Ich will sie jedenfalls nicht haben. Ich habe auch ohne diese Rätsel der Vorzeit genug, worüber ich mir den Kopfzerbrechen muss.« Ich nickte. Sie hatte Jims Hobby schon immer mit sarkastischen Bemerkungen bedacht. Ich vermutlich auch.
»Ich habe versucht, etwas mehr zu erfahren über die Sachen, mit denen Jim kurz vor seinem Tod beschäftigt war.« Sie ließ eine bedeutungsschwere Pause folgen.
»Erzähl’s mir«, sagte ich nach einer Weile. Ich wusste, dass sie es mir auch unaufgefordert erzählt hätte.
»Ich fing bei dem Geld an«, sagte sie. Das Außenministerium verwaltet unseren Etat. Das war durchaus ein Aspekt unserer Arbeit, in den sie sich Einblick verschafft haben konnte.
»Geld?« fragte ich.
»Das Geld, das angeblich verschwunden ist. Das Geld, wegen dem sie dich nach Washington geschickt haben.«
»Nur damit sich keine Missverständnisse einschleichen, Cindy: Ich bin nicht nach Washington geschickt worden, um Jim irgend etwas zu fragen. Diesen kleinen Nebenjob hat man mir erst aufgehalst, als ich schon dort war.«
Sie schien nicht überzeugt. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht«, sagte sie. »Wenn wir der ganzen Sache auf den Grund gegangen sind, wirst du womöglich entdecken, dass alles von langer Hand arrangiert war.«
»Dass was von langer Hand arrangiert war?«
»Dass du zur rechten Zeit in Washington bist, um diesen ›kleinen Nebenjob‹ zu übernehmen.«
»Nein. Cindy …«
»Heilige Muttergottes! Wirst du endlich zuhören, Bernard, und mich nicht dauernd unterbrechen? Dieser Fonds, den Jim angelegt hatte. Da ist eine Menge Geld von ein paar Banken in Gibraltar und Österreich gewaschen worden. Es wurde mehrmals hin und her überwiesen, so dass die Spuren verdammt schwer zu verfolgen sind. Zuletzt scheint es aber auf einem Konto in Deutschland gelandet zu sein. All diese Kontobewegungen und
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