Geködert
sagte sie mitleidig.
»Wieso?«
»Ich kenne mich doch mit diesen Maschinen aus. Ich habe einen ganzen Monat da unten zugebracht, bis du mich erlöst hast, das weißt du doch.«
»Ich habe mit diesen Maschinen gearbeitet, schon …« Fast hätte ich gesagt, ehe sie geboren wurde, aber den Altersunterschied zwischen uns wollte ich nicht unbedingt noch betonen, und so beendete ich den Satz ziemlich lahm: »… Vor Jahren.«
»Dann solltest du Bescheid wissen über den Schnüffelschutz«, sagte sie.
»Was zum Teufel ist denn das nun wieder?«
»Wenn du eine richtige Ausbildung gemacht hättest, anstatt einfach aufs Geratewohl loszutippen, würdest du nicht solchen Blödsinn machen.«
»Wovon redest du?« sagte ich.
»Jedesmal, wenn du den Zugang verweigert kriegst, speichert die Maschine das ebenso wie deine Nummer und deinen Namen.«
»Wirklich?« fragte ich, während sie auf den Flur hinausging und nach oben rief, wo Billy und Sally unter Doris’ Aufsicht mit ihren Schularbeiten hätten beschäftigt sein sollen.
»Essen, Kinder! Bist du soweit, Doris?«
Dann kam sie ins Zimmer zurück. »Und das ist noch nicht alles. Jede Datei, zu der dir der Zugang verweigert wird, wird ebenfalls gespeichert. Wenn die Datensicherheitsbeauftragten demnächst ihr Analyseprogramm durchlaufen lassen, können sie genau sehen, wo du unbefugt rein wolltest.«
»Davon hatte ich keine Ahnung.«
»Offensichtlich nicht, Liebster.« Ein Küchenwecker klingelte, und mit einem ungarischen Fluch, den ich jetzt schon wiedererkannte, wenn ich ihn hörte, ging sie in die Küche, das Essen zu holen.
Ich folgte ihr, und während sie die leuchtend bunt emaillierten Töpfe vom Herd auf den Servierwagen setzte, fragte ich: »Du weißt nicht zufällig, wie häufig sie diese Sicherheitsprüfung machen, was?«
»Mach dich nützlich«, sagte sie und überließ mir den Servierwagen. Ich schob den Wagen in das Eßzimmer. »Löschen kannst du es nicht. Falls du das gehofft haben solltest, muss ich dich leider enttäuschen.«
Sally und Billy kamen herunter, ihre Schulbücher unter dem Arm. Billy war vierzehn und in letzter Zeit sehr gewachsen. Er trug eine Drahtspange auf den Zähnen. Die Spange muss lästig gewesen sein, aber er beklagte sich nie darüber. Er war ein Stoiker. Sally, ein paar Jahre jünger, war noch sehr kindlich und litt sehr unter dem Verlust der Mutter. Das heißt, beiden Kindern fehlte natürlich die Mutter. Sie sprachen aber nie davon und verbargen ihre Trauer sogar vor mir, so dass ich nicht einmal versuchen konnte, sie zu trösten.
Gloria hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sich allabendlich nach dem Essen die Hausaufgaben der Kinder anzusehen. Sie konnte fabelhaft mit ihnen umgehen. Manchmal schien es mir, dass die Kinder in dieser fröhlichen halben Stunde mehr von ihr lernten als während des ganzen Tages in der Schule. Und mit diesen Lektionen hatte Gloria außerdem das Vertrauen der Kinder gewonnen, was ebenso wichtig war. Dennoch fragte ich mich manchmal, ob mir die Kinder das Glück, das ich bei Gloria gefunden hatte, nicht übelnahmen. Ich hatte den Verdacht, sie wollten, dass ich meinen pflichtgemäßen Anteil an ihrem Kummer tragen sollte.
»Sind die Hände gewaschen?«
»Ja, Tante Gloria«, riefen beide einstimmig und wiesen die gewaschenen Hände vor. Auch Doris hob die Hände und lächelte schüchtern. Das stille, inzwischen schlanke Mädchen – früher war sie sehr pummelig – aus einem kleinen Dorf in Devon war schon lange bei den Kindern. Sie brachte beide zur Schule, machte das Mittagessen für Sally (Billy hatte länger Unterricht und aß in der Schule), ging einkaufen und versengte beim Bügeln meine Hemden. Sie war ungefähr in Glorias Alter, und ich fragte mich manchmal, was sie wirklich von der Lebensgemeinschaft hielt, die wir beide gegründet hatten. Aber es bestanden kaum Chancen, dass sie mir ihre Gedanken je anvertrauen würde. In meiner Gegenwart war Doris ein stilles Wasser, während ich sie mit den Kindern oft fröhlich lärmend schreien und herumtollen hörte.
»Billy kann den Servierwagen« (gemeint war die eingebaute Warmhalteplatte) »einstecken«, sagte Gloria. Ich setzte mich. Doris fummelte an ihrem Besteck herum. Seit sie auf Schokolade verzichtete, schien sie ständig an Entzugserscheinungen zu leiden.
Der Servierwagen mit dem eingebauten Speisenwärmer – wie die bunt emaillierten Kasserollen und gestreiften Topflappen – war Glorias Idee. Sie versprach sich eine revolutionäre Verbesserung
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