Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
besser dran.«
Sie schien mich nicht zu hören. Als sie dann sprach, schien ihre Stimme aus großer Ferne zu kommen. »Als ich dich zum erstenmal sah, wollte ich dich unbedingt haben, Bernard.« Sie schniefte. »Ich dachte, ich würde dich so glücklich machen können. Wie ich deine Frau beneidet habe!«
»Ich wusste gar nicht, dass du meiner Frau jemals begegnet bist.«
»Natürlich habe ich sie im Haus gesehen. Jeder bewunderte sie.
Man sagte, sie sei eine der klügsten Frauen, die je für das Department gearbeitet haben. Manche waren überzeugt, dass sie der erste weibliche D.G. werden würde.«
»Die Leute haben sich eben geirrt.«
»Ja, und ich habe mich auch geirrt«, sagte Gloria. »Und das in jeder Hinsicht. Du wirst niemals glücklich mit mir werden, Bernard. Du bist einfach zu anspruchsvoll.«
»Anspruchsvoll? Was willst du denn damit sagen?« Zu spät bemerkte ich, dass das das Stichwort war, auf das ich hätte erklären sollen, wie glücklich ich mit ihr war.
»Ganz recht. Werde nur ärgerlich.«
»Ich werde gar nicht ärgerlich«, sagte ich sehr ruhig.
»Nur gut, dass ich nach Cambridge gehe.«
Sie war entschlossen, sich ihr Selbstmitleid nicht nehmen zu lassen. Es gab nichts mehr zu sagen für mich. Ich küsste sie, aber sie erwiderte den Kuss nicht. Sie wollte nicht getröstet werden. »Vielleicht könnte Doris ein bisschen mehr helfen«, sagte ich sehr vorsichtig.
Gloria sah mich mit einem bitteren Lächeln an. »Doris hat gekündigt«, sagte sie.
»Doris? Das kann doch nicht wahr sein!«
»Sie sagt, es ist ihr zu langweilig hier draußen.«
»O Gott!« sagte ich. »Natürlich ist es das. Weiß sie denn nicht, dass wir deshalb rausgezogen sind?«
»Sie hatte in der Innenstadt ihre Freunde, ging in die Disco.«
»Doris hatte Freunde?«
»Sei kein Aas.«
»Sie kann doch mit der Bahn in die Stadt fahren.«
»Einmal in der Woche. Sie hat nicht viel Abwechslung. Sie ist noch jung.«
»Wir sind alle noch jung«, sagte ich. »Glaubst du, ich würde nicht auch gerne mit Doris’ Freunden durch die Discos ziehen?«
»Mit deinen blöden Witzen richtest du gar nichts aus«, sagte Gloria hartnäckig. »Für uns wird es das reinste Chaos, wenn sie geht. Es wird nicht leicht sein, jemanden zu finden, der so gut mit den Kindern zurechtkommt wie sie.« Draußen rauschte der Regen in den Apfelbaum und prasselte gegen die Scheiben, und der Wind fegte um den Schornstein und pfiff durch die Fernsehantenne. »Ich werde sehen, was die Stellenvermittlung zu bieten hat, aber in dieser Gegend werden wir vermutlich mehr zahlen müssen. Die Frau in der Vermittlung hat gesagt, dass die Löhne hier durchweg höher liegen als in der Stadt.«
»Natürlich hat sie das gesagt«, sagte ich.
Dann klingelte das Telefon auf meinem Nachttisch. Ich ging um das Bett herum und nahm den Hörer ab. Es war Werner. »Ich muss dich sehen«, sagte er. Er klang erregt, jedenfalls so erregt, wie der phlegmatische Werner zu klingen imstande war.
»Wo bist du denn?« fragte ich.
»Ich bin in London. In einem kleinen Apartment an der Ebury Street, in der Nähe der Victoria Station.«
»Verstehe ich nicht.«
»Ich bin nach Gatwick geflogen.«
»Was ist denn passiert?«
»Wir müssen uns sprechen.«
»Wir haben ein Gästezimmer. Hast du einen Wagen?«
»Komm lieber her, Bernard.«
»Zur Victoria Station? Da bin ich mindestens eine halbe Stunde unterwegs. Wahrscheinlich länger.« Die Vorstellung, noch mal nach London hineinfahren zu müssen, fand ich entsetzlich.
»Es ist ernst«, sagte Werner.
Ich legte die Hand über die Sprechmuschel. »Es ist Werner«, erklärte ich. »Er sagt, er muss mich sehen. Er würde das nicht sagen, wenn es nicht wirklich dringend wäre.«
Gloria zuckte nur mit den Achseln und schloss die Augen.

12
    Der Wandel, den manche von den kleinen Hotels in der Ebury Street durchgemacht hatten, seitdem ich zuletzt in der Gegend war, überraschte mich. Die Gegend war früher eine Art Niemandsland, wo die mit Rucksäcken beladenen Horden vom Busbahnhof den feinen Leuten von Belgravia begegneten. In einem merkwürdigen und typisch englischen Nebeneinander bot die Ebury Street teure kleine Boutiquen und schicke Restaurants, gleichzeitig billige Schlafgelegenheiten für den preisbewussten Reisenden. Aber der Fortschritt ist unaufhaltsam, und so hatte Werner dort eine kleine, aber luxuriös eingerichtete Suite gefunden (»all major credit cards accepted«) mit Zimmerservice rund um die Uhr und garantierter Sicherheit, Gummibäumen in der

Weitere Kostenlose Bücher