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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Eingangshalle und Dom Perignon im Kühlschrank.
    »Hast du schon gegessen?« fragte Werner, als er mir die Tür öffnete.
»Nicht direkt.«
»Gut. Ich habe uns einen Tisch bestellt. Es ist gleich hier um die Ecke. In dem Magazin, das sie im Flugzeug verteilen, war eine begeisterte Kritik darüber.«
»Toll«, sagte ich.
»Nein, wirklich«, sagte Werner, »ich glaube, es könnte gut sein.« Er sah auf seine Uhr. Er war aufgeregt, ich kannte die Anzeichen. »In dem Magazin stand, dass die frische LachsMousse dort sehr gut ist«, sagte er, als sei er davon nicht ganz überzeugt.
»Wie hast du dieses Hotel gefunden, Werner?« Er war mein bester Freund, aber ich habe Werner nie so verstanden, wie ich Leute verstehe, die ich lange kenne. Er war nicht nur verschlossen. Er verbarg seine wahren Gefühle, indem er andere vortäuschte. Wenn er glücklich war, sah er traurig aus. Wenn er einen Witz erzählte, schaute er dabei finster, als sei ihm das Lachen verhasst. Siegte er, sah er aus wie ein Verlierer. War das ein jüdischer Charakterzug? Meinte er, er müsse seine wahren Gefühle vor einer feindlichen Welt verbergen?
»Das hier ist ein Apartment, ein Apartment mit Service, kein Hotel«, berichtigte er mich. Natürlich haben die Reichen mehr Wörter als unsereins, denn ihnen stehen mehr Güter und Dienstleistungen zur Verfügung. »Ein Mann, mit dem ich bei Kleinwort Benson geschäftlich zu tun habe, hat mir angeboten, es zu benützen. Er braucht es selbst nur, wenn er gerade in London ist, und im Augenblick ist er nicht hier. Champagner? Whisky oder sonst etwas?«
»Ein Glas Wein«, sagte ich.
Werner betrat die winzige Küche, eine von Neonröhren beleuchtete fensterlose Nische, deren Einrichtung eher dazu animierte, den »Service« in Anspruch zu nehmen, als selbst zu kochen. Werner nahm eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank, einen Meursault. Die Flasche war voll, aber bereits entkorkt, so als hätte Werner geahnt, was ich trinken wollte, und seine Vorbereitungen getroffen. Er goß mir ein Waterford-Glas reichlich voll und stellte die Flasche wieder zurück. Der Kühlmotor begann zu schnurren, und die im Innern vibrierenden Flaschen klirrten diskret.
»Auf die Zukunft, Werner«, sagte ich, ehe ich trank.
Er lächelte nüchtern und nahm seine Brieftasche von einem Abstelltisch. Ehe er sie in die Tasche steckte, sah er nach, ob seine Kreditkarten noch alle da waren. Ein Meursault: Das war ein Luxus, den ich in ganz besonderem Maße genoß. Werner hätte ihn den ganzen Tag lang saufen können, wenn er gewollt hätte.
Die meisten Leute sausen auf einer Art finanzieller Bergund-Tal-Bahn durchs Leben, die für sie entscheidet, ob sie sparen müssen oder prassen können. Werner nicht. Er hatte immer genug. Er entschied, was er wollte – ob’s nun ein kleines Lokal um die Ecke war, wo es eine ausgezeichnete Lachs-Mousse gab, oder ein prächtiges neues Auto –, steckte die Hand in die Tasche und kaufte es. Werners Bedürfnisse waren allerdings bescheiden. Er sehnte sich nicht nach einer Yacht oder einem Privatflugzeug, er hielt sich keine Geliebten, spielte nicht und schmiss auch kaum extravagante Partys. Werner hatte einfach mehr Geld, als er brauchte. Ich beneidete ihn um seine lässige, großzügige Lebensart. Wenn ich mit ihm zusammen war, kam ich mir immer vor wie ein pfennigfuchsender Lohnsklave; vermutlich weil ich genau das bin.
Ich nahm meinen Wein und setzte mich in einen der weichen Ledersessel, um mir anzuhören, was so Schreckliches passiert war, dass er hatte nach London fliegen und meine Feierabendruhe stören müssen. Ich sah mich um. Das war also ein Apartment. Ja, jetzt bemerkte ich den Unterschied zu einem gewöhnlichen Hotelzimmer: Es sah bewohnt aus. Vom CDPlayer spielte Glenn Gould mit ungewöhnlich sanftem Anschlag Bach, und an den Wänden hingen zwei scheußliche moderne Gemälde anstatt der geschmackvollen Lithographien, mit denen Innenarchitekten Hotelzimmer dekorieren.
Es war ein Absteigequartier fern der Heimat. Das sah man schon an den Büchern. Lange überholte Restaurantführer, Straßenkarten, Museumskataloge standen neben jenen Büchern, die zum Zeitvertreib gelesen werden, wenn des Tages Arbeit getan ist: eselsohrige Kriminalromane von der Sorte, die man wieder und wieder lesen kann, ohne je zu merken, dass man sie schon kennt, sehr dünne Romane von dünnen Damen, die Literaturpreise gewinnen, sehr dicke von dicken Damen, deren Namen in keinem Feuilleton genannt werden. Und ein ganzes Regal

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