Geködert
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»Ich kann mir vorstellen, dass das Department jeder Spur nachgegangen ist. Die haben doch noch monatelang jedem nachgeschnüffelt, der auch nur mal von ihr gehört hatte.«
»Dir auch?«
»Bei solchen Untersuchungen ist niemand über einen Verdacht erhaben, Bernard. Ich hätte gedacht, dass du das am besten weißt. Monatelang hat der Minister dem D.G. deswegen im Nacken gesessen. Ich glaube, das hat dem Alten auch endgültig den Rest gegeben.«
»Ist der Alte wirklich krank?« fragte ich. »Oder ist das bloß ein Dreh, damit er früher in Pension gehen oder sonstwas machen kann?« Frank und der Alte waren während des Krieges bei derselben Einheit gewesen, sie waren eng befreundet.
»Sir Henry läßt sich nur noch selten sehen, was?
Wahrscheinlich soll er im Amt bleiben, damit sie ihm die Bezüge nicht kürzen müssen. Aber dass er die Zügel noch mal in die Hand nimmt, glaube ich nicht.«
»Wird Sir Percy an seine Stelle treten?«
»Vorläufig weiß das niemand. Angeblich will die Premierministerin unbedingt jemand von außen auf den Posten setzen … Wenn sie einen von den jüngeren Richtern des Oberhauses in den Sattel hebt, kann sie womöglich hoffen, dass der Druck nachläßt, mit dem jetzt verlangt wird, dass ein Parlamentsausschuss alles beaufsichtigt, was wir treiben.«
Nun wurden Franks Angels on Horseback serviert: ein Paar gekochte Austern, die, in gebratenen Schinkenspeck gewickelt, auf einem Dreieck warmen Toasts lagen. Frank liebte pikante Nachspeisen. Auf seinen Dinnerpartys hielt er eisern an dieser viktorianischen Tradition fest, nach dem Dessert noch ein paar salzige, scharfe Leckerbissen zu servieren. »Das macht den Gaumen sauber für den Port«, pflegte er zu sagen. Jetzt aß er seine Angels mit einem Appetit, wie er ihn bisher nur beim Wein gezeigt hatte, und sagte nichts mehr, bis der Kellner den leeren Teller abgeräumt hatte.
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Dann wischte er sich die Lippen mit einer großen Stoffserviette ab und sagte:
»Du bist sauer, Bernard, oder?«
»Sauer?«
Frank grinste. »Du bist verärgert. Gib’s ruhig zu.«
»Warum denn?«
»Halte mich nicht für blöder, als ich bin«, sagte Frank. »Du erinnerst dich, dass ich kürzlich versichert habe, Sir Henry sei schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr in Berlin gewesen.
Jetzt habe ich dir erzählt, dass er ein Abendessen im Kempinski gegeben hat, und du spitzt die Ohren. Hab’ ich recht, Bernard?«
»Das ist unwichtig«, sagte ich.
»Genau. Das Prinzip des Wissen-Müssens. Geheimnisse werden nur den Leuten anvertraut, die sie wissen müssen.
Nicht denen, die nur gerne Bescheid wissen wollen.« Er hob die Weinflasche, um den Rest auf unsere Gläser zu verteilen, doch das hatte der Kellner bereits getan. Die Flasche war leer.
»Ein toter Soldat«, sagte Frank und hielt die leere Flasche in die Höhe. (Die englische Umgangssprache hat ihre eigene Poesie.) »Und Tote erzählen keine Geschichten, was? Also, wie wär’s mit einem Glas Madeira?«
»Für mich nicht mehr, Frank, sonst schlafe ich noch am Schreibtisch ein.«
»Recht so. Was sagte ich eben? Ach ja, das Prinzip des Wissen-Müssens.«
»Du hast mir gesagt, ich soll meine Nase nicht in Angelegenheiten stecken, die mich nichts angehen.«
»Überhaupt nicht. Ich habe dir einfach die Politik des Department erklärt. Es heißt, dass du wieder auf einem deiner privaten Kreuzzüge bist. Ich will dich nur davon überzeugen, dass das Ganze nicht persönlich gemeint ist. Solche Extratouren beunruhigen die Innere Sicherheit immer, egal, um welchen Angestellten es dabei geht.«
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»Danke schön.«
»Du glaubst wohl immer noch, du findest einen Maulwurf?«
Er lächelte wieder. Frank hatte festes Vertrauen zu seinen Vorgesetzten, vorausgesetzt, sie hatten die richtigen Schulen besucht oder sich beim Militär ausgezeichnet. Die Verdächtigung solcher Leute fand er nur komisch.
»Nein, Frank, nein, wirklich nicht.«
»Ich bin auf deiner Seite, Bernard.«
»Ich weiß, Frank.«
»Aber du hast Feinde – oder vielleicht sollte ich besser Rivalen sagen –, und ich will nicht, dass sie einen Vorwand geliefert kriegen, dich fertigzumachen.«
»Ja.«
»Du bist wie …?« Er zögerte nur einen Augenblick. »Ja, an deinem letzten Geburtstag bist du vierundvierzig geworden.«
Frank hatte also sogar mein Geburtsdatum gespeichert.
Ich gab brummend meine Zustimmung.
»Mit zwei so entzückenden Kindern, wie du sie hast, solltest du mehr an deine Karriere denken,
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