Gelassen durch die Trotzphase
entwickelnden Verstand. Wut ist immer die Folge von Frust: »Ich will, aber ich darf nicht« oder »Ich muss, aber ich will nicht«. Dazu kommt noch: »Ich will, aber ich kriege es nicht hin.«
Ein ganz wichtiger Meilenstein in der Entwicklung ist die Selbsterkenntnis: Bevor Ihr Kind denken kann »Ich will …«, muss es verstanden haben: »Ich bin ich.« Das passiert nach und nach zwischen dem 18. und dem 36. Monat. Irgendwann gebraucht Ihr Kind das Wort »ich« – der Auftakt für die manchmal für beide Seiten so anstrengende Testphase: »Was kann ich bewirken?« Mit Beginn des Trotzalters wird Ihr Kind zum kleinen Wissenschaftler und probiert gezielt etwas aus. Eine bewundernswerte Leistung!
Zwischen eineinhalb und drei Jahren entdeckt Ihr Kind: »Ich bin ich!«
»Wie sag ich’s meinen Eltern?«
Natürlich hat Ihr Kind auch vorher oft geweint, wenn etwas anders kam als erwartet, etwa wenn es plötzlich allein in seinem Bett einschlafen sollte statt wie gewohnt in Ihren Armen. Es konnte aber noch nicht gezielt ausprobieren, wie es vielleicht doch noch seinen Willen bekommen könnte. Jetzt aber handelt es zielgerichtet und setzt seine Möglichkeiten ein, um sein Ziel zu erreichen.
Leider hat Ihr Kind im Alter von eineinhalb bis drei Jahren noch nicht so viele Möglichkeiten, sich mitzuteilen. Es kann noch nicht so gut sprechen. Es kann die Welt nur aus dem eigenen Blickwinkel sehen: »Alles muss sich um mich drehen!« Und wenn das einmal nicht der Fall ist? Eine Katastrophe! Ihr Kind versteht die Welt nicht mehr und muss sich furchtbar aufregen. Sein Wutanfall ist vergleichbar mit einem besonders heftigen Gewitter mit Donner, Blitz und kräftigen Regenfällen. Der Frust muss raus! Das muss so sein. Es ist ganz normal.
Eine Chance zum Lernen: Frust aushalten
Sie können es Ihrem Kind nicht ersparen, Frust und Enttäuschung zu erleben. Sie können aber dafür sorgen, dass es aus jedem Wutanfall etwas Hilfreiches lernt. Denn die Heftigkeit und Häufigkeit der »Gewitter« hat nicht nur damit zu tun, welches Temperament Ihrem Kind in die Wiege gelegt wurde. Es ist ebenfalls von Bedeutung, wie Sie als Eltern auf den Wutanfall reagieren!
Marlenes Vater hatte sich für »vorbeugendes Anpassen« entschieden. Er las seiner Tochter die Wünsche von den Augen ab, damit sie bloß keinen Wutanfall bekam. Marlenes Mutter ging durchaus auch auf die Wünsche ihrer Tochter ein. Aber wenn es ihr sinnvoll und notwendig erschien, entschied sie gegen Marlenes Willen, auch wenn ihr die Wutanfälle ihres Kindes ebenfalls nicht angenehm waren. Marlene konnte jedoch nur sehr langsam Lernfortschritte machen, weil das Verhalten ihres Vaters sie immer wieder darin bestärkte, ihre Rituale beizubehalten.
Finns Eltern gaben fast immer nach, um seine unvorhersehbaren Wutanfälle möglichst schnell zu beenden. Beide waren sehr verunsichert und konnten das heftige und häufige Schreien nicht aushalten. Also machten sie meist das, was Finn wollte. So konnte er nicht lernen, mit Frust und Enttäuschung klarzukommen. Stattdessen lernte er: »Ich bekomme immer, was ich will – ich muss nur schreien.« Daraus entstand ein Teufelskreis: Finns Wutanfälle wurden nicht seltener, sondern häufiger.
FÜR SPÄTER LERNEN
Im Trotzkopfalter wird der Grundstein dafür gelegt, dass Ihr Sohn oder Ihre Tochter später angemessen mit Frust und Fehlschlägen umgehen kann – eine sehr wichtige Fähigkeit!
Seien Sie Ihrem Kind ein Vorbild
Wenn Ihr Kind etwas Gefährliches, Unsinniges oder Unangemessenes will oder wenn es etwas nicht will, das aber sein muss, sollten Sie seinem Willen nicht nachgeben. Das wird ihm nicht gefallen, aber es muss da durch. Es muss diesen Frust aushalten. Für uns Erwachsene gilt dasselbe. Auch wir müssen da durch. Für uns ist es auch nicht angenehm, wenn unser kleiner Trotzkopf einen Wutanfall bekommt. Aber wir sind die Vorbilder für unser Kind. Wir können ihm zeigen, dass wir mit einer solchen unangenehmen Situation umgehen können, ohne zu »kneifen« – und ohne selbst wütend zu werden.
Wutanfälle aushalten ...
... das ist leichter gesagt als getan. Der beste Schutz ist: Nehmen Sie sie nicht persönlich! Stellen Sie sich nicht mit ins »Gewitter«. Lassen Sie sich nicht in den Frust Ihres Kindes verwickeln. Denken Sie immer daran, dass seine Wut nicht gegen Sie gerichtet ist. Ihr Kind muss erst noch lernen, Misserfolge und Frust auszuhalten. Dass Sie in diesem Lernprozess die Wut abkriegen, ist eher Zufall: Sie sind
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