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Gelassen durch die Trotzphase

Gelassen durch die Trotzphase

Titel: Gelassen durch die Trotzphase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Zahn
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Geräusch; wenn man an der Schnur zieht, gibt die Spieluhr Töne von sich ... Aber das Kind »erkennt« sich jetzt noch nicht selbst.
Lucas, 18 Monate, sitzt auf Mamas Schoß vorm Spiegel. Lucas ist begeistert, klopft an den Spiegel, lacht, dreht sich zu seiner Mutter um und zeigt auf ihr Spiegelbild. Er erkennt sie offenbar genau. Nun tupft seine Mama ihm beim Spiel unbemerkt mit Lippenstift einen roten Fleck auf die Stirn. Lucas lacht und klopft weiter, aber der Fleck scheint ihn nicht zu interessieren.
    Lucas hat zwar seine Mama im Spiegel erkannt, aber ihm ist nicht klar, dass es sein eigenes Gesicht ist, das jetzt so einen lustigen Fleck hat. Deshalb wundert er sich nicht darüber. Er hat noch nicht verstanden, dass der kleine Kerl im Spiegel er selbst ist.
Lucas’ Mama wiederholt zwei Monate später das Spiel. Lucas hat wieder Spaß vorm Spiegel, wieder tupft sie ihm unbemerkt mit dem Lippenstift auf die Stirn. Diesmal reagiert Lucas anders. Er bleibt ganz still auf Mamas Schoß sitzen und schaut mit großen Augen sein Spiegelbild an. Mit der Hand greift er nach dem roten Fleck auf dem Spiegelbild. Dann fasst er an seine eigene Stirn. Verwirrt dreht er sich zu seiner Mama um.
    Diesmal hat Lucas sich selbst erkannt. Er hat bemerkt, dass der Fleck in seinem Gesicht ist, und er ist verblüfft. Lucas denkt über sich selbst nach: »Das bin doch ich! Aber wie kommt der Fleck in mein Gesicht? Gerade war er doch noch nicht da!«
    Dieses Spiel wird als »Rouge-Test« oder »Spiegel-Test« bezeichnet. Verschiedene Forscher haben es eingesetzt, um mehr über die Selbstwahrnehmung von kleinen Kindern zu erfahren. Sie können es selbst ausprobieren, wenn Ihr Kind im passenden Alter ist.
Eine sensationelle Entdeckung
    Fast alle Kinder bewältigen den Meilenstein, sich selbst als »ich« zu erkennen, zwischen 18 und 24 Monaten. Erst danach kann ein Kind seinen eigenen Namen verwenden. Erst danach kann es sagen »Das ist meins!« und seinen Besitz nach Kräften verteidigen.
    Der nächste Schritt ist die Entdeckung des eigenen Willens: »Ich bin ich! Ich kann etwas bewirken! Ich kann alles ausprobieren!« Genau das tut Ihr kleiner Entdecker. Er oder sie will ganz gezielt etwas haben: das blaue Auto, nicht das rote. Etwas ganz allein machen: die Socke anziehen. Auf die Straße laufen, nicht an der Hand gehen. Dass das alles nicht immer klappen kann, hat Ihr Kind dabei gar nicht eingeplant. Dass es Grenzen und Regeln gibt und dass manche Dinge erst nach vielen Versuchen und langem Üben gelingen – welch eine Zumutung das ist! Da kommen natürlich immer wieder Wut und Enttäuschung auf, und die müssen raus. Ein Wutanfall ist dann eine völlig normale Reaktion.
    MITTELPUNKT DER WELT
    »Ich bin ich« – diese Entdeckung eröffnet Ihrem Kind eine ganz neue Welt. Niemand anders als es selbst steht im Mittelpunkt dieser neuen Welt, und die will es auch selbst regieren. Nichts und niemand darf sich in seinen Weg stellen. Wenn das jemand doch wagt, ist es für Ihr Kind ein kleiner Weltuntergang. Erst nach und nach lernt es die Grenzen seiner Möglichkeiten kennen.
Sicherheit gewinnen: Selbstständigkeit
    Es ist ganz normal, wenn ein kleines Kind noch sehr stark die Nähe seiner Eltern sucht. Es bekommt Angst, wenn Mutter oder Vater oder eine vertraute Betreuungsperson sich entfernen. Wenn sich eine fremde Person nähert oder das Kind auf den Arm nehmen will, fängt es an zu weinen: Es »fremdelt«. Diese Angst hat Ihr Kind erst, wenn es vertraute und fremde Personen unterscheiden kann, also frühestens ab dem sechsten Monat. Trennungsangst und Angst vor Fremden steigern sich zunächst und sind am stärksten im zweiten und dritten Lebensjahr. Erst danach wird Ihr Kind selbstständiger und lässt allmählich Ihren »Rockzipfel« los.
    Wie stark die Trennungsangst ist, unterscheidet sich von Kind zu Kind. Sie gehört in diesem Alter zur Entwicklung Ihres Kindes, auch wenn es seiner Angst in Form von Trotzanfällen Luft macht.
Angst schützt vor Gefahren
    Die Trennungsangst hat eine wichtige Funktion: Sie schützt Ihr Kleinkind, das mittlerweile laufen kann und die Welt erkunden will, vor Gefahr. Mit zwei oder drei Jahren kann es noch nicht einschätzen, welche Gegenstände oder Situationen ihm gefährlich werden können, welche Menschen ihm wohl gesonnen sind. Da bleibt es lieber in Ihrer Nähe, statt voller Neugier draufloszulaufen. Es ist normal, wenn Ihr Kind seine Angst mit Weinen oder Schreien ausdrückt. Aber es braucht

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