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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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nein! Dann gab es auch noch die ganz besonders Verstrahlten, die einem eben jene Pinzette durch diesen Schlitz unter der Scheibe durchschoben, damit man nur ja nicht die kostbaren Marken beim Abreißen mit den Bäh-Fingerabdrücken des Schalterbeamten verunstaltete.
    Wobei ich Letzteres genau einmal mitgemacht habe – und danach nie wieder. Aus gutem Grund. Sehr gutem Grund. Und das war so…
    Der Typ kam jeden Monat. Jeden verdammten ersten Donnerstag im Monat stand er schon vor acht Uhr im Vorraum zur Schalterhalle. Man konnte sein speckiges Gesicht mit den fettigen schwarzen Haaren immer schon durch die Glastür sehen. Er hatte förmlich den Sabber in den Mundwinkeln stehen – der erste Donnerstag, das hieß für ihn: Einziger Orgasmus im Monat! Jedenfalls machte er genau diesen Eindruck, nämlich dass das Sammeln von Postwertzeichen Ersatz für nicht vorhandenes Sexualleben ist. Man konnte die Frauen (oder auch Männer) aber auch zu gut verstehen, dass sie sich nicht mit so einem Schmierlappen abgeben wollten – und so musste er eben Marken lecken statt Körperstellen. Wobei er ja nicht einmal das tat, die kleinen Papierfetzen mit den vielen Zacken dran waren für ihn ja Heiligtümer, die zu lecken einer Entweihung gleich gekommen wäre.
    Es wurde also acht Uhr, die unvermeidliche Öffnung der Türen stand an. Man hasste diesen Moment, zumal man genau wusste, dass diese Sammler jetzt auch noch ein Wettrennen veranstalten würden, wer von ihnen als Erster einen der vier Schalter erreichte. Als ob man es den Marken nachher noch anmerken würde, ob sie um 8.01 Uhr oder um 9.46 Uhr vom Bogen abgerissen wurden!
    Allerdings: Es gab denn doch einen Grund, der Erste zu sein, fällt mir soeben ein. Die Eckmarken!
    Jeder Bogen mit Briefmarken bestand aus hundert dieser rückseitig gummierten Teile, und umrahmt wurde dieser Gesamtblock von einem weißen Randstreifen, der circa einen Zentimeter breit war. Und dieser hatte natürlich bei den vier Eckmarken des Bogens die Eigenschaft, dass dann gleich zwei Seiten der selbigen jenen weißen Rand besaßen. Ganz toll, oder? Es muss auf jeden Fall ein wohliges Gefühl in der Hose gemacht haben, wenn man am ersten Donnerstag als Erster am Schalter stand, um die erste Eckmarke vom ersten Bogen zu erhaschen – im Nachhinein wundere ich mich, dass die nachfolgenden Kunden nicht in den Spermapfützen vorm Schalter ausgeschliddert sind… ehrlich wahr.
    Es gab sogar einmal einen, der tatsächlich verlangte, dass ich von allen vorrätigen Bögen jeweils die vier Eckwertzeichen abrupfen und ihm verkaufen sollte. Er verließ das Postamt selbstredend unter lautem Gezeter – wo wären wir denn dahin gekommen, wenn man solche Wünsche erfüllt hätte??? Mal ganz abgesehen davon was das für eine Zählerei geworden wäre beim nächsten Kassenabschluss, bei dem man eh schon genug zu tun hatte mit denen ihre ganzen blöden bunten Bildchen! Nein, nein, das musste ich diesem unverschämten Postbenutzer einfach mal klar machen, dass es so nicht geht!
    Jetzt aber zurück zum schmierigen Paul (oder wie immer dieses Geschöpf geheißen haben mag). Er hatte den Wettlauf mit seinen Sammlerkollegen also gewonne n und stand grienend und aus den Mundwinkeln tropfend vor meinem Schalter.
    „Haben sie die neuen Sondermarken?“ Allein schon diese Frage …
    ,Nein du Horst! Versuchs mal bei Beate Uhse!‘ , war man versucht zu sagen. Aber: „Ja, hab ich …“ Zu mehr Worten hatte meine Kundenfreundlichkeit in dem Fall nicht gereicht.
    „Dann von jeder zwei Stück, eine gestempelt, eine ungestempelt.“ Auch das musste er mir nicht sagen, war es doch jeden Monat dasselbe Prozedere.
    Aber diesmal war etwas anders, denn in dem Moment, als ich die Mappe aufschlug, in der sich die so überaus wertvollen Papierschnipsel befanden, erschall ein „Halt!“, was mich so erschreckte, dass ich um ein Haar reflexartig den Alarmknopf unter dem Tisch gedrückt hätte.
    „Herrgott! Was ist denn?“ blaffte ich ihn in guter alter Postbeamtenmanier an.
    „Nicht anfassen!“ Wie bitte?! Hatte ich das richtig gehört? Der wollte dass ich ihm diese Dinger abreiße, ohne dass ich sie dabei berühre?
    „Guter Mann, es liegt in der Natur der Sache, dass man diese wertvollen Marken anfassen muss, will man die Perforation trennen, um die Einzelstücke an Sie als Käufer weiter zu reichen.“ Ich konnte auch vornehm, wie man merkt. Auch wenn diese Form des Ausdrucks und die besondere Tonalität meiner Worte aus meiner

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