Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
Sicht Ausdruck tiefster Verachtung waren.
„N- n- neihein, das g- g- geht auch anders …“, stotterte er – auch das noch! Das hatte er bisher doch nie gemacht. Naja, die Aufregung, klar. War es doch für ihn einer der zwölf wichtigen Tage des Jahres. Und heute mit der Besonderheit, dass er sich eine einschneidende Änderung im Ablauf der Zeremonie überlegt hatte.
Nach dem er den Halbsatz zu Ende gehaspelt hatte, sah ich was er meinte: Er schob mir eine Pinzette durch den Schlitz unterhalb der Trennscheibe.
„Sie glauben doch jetzt nicht wirklich, dass ich Ihnen ihre komischen Bildchen mit diesem Ding abporkele, oder?!“, pflaumte ich ihn an.
„Doch … l- l- letzten Momomonat hatte ich auf jeder Mamamarke einen F- f- fingerabdruck in der Gu- gu- …“
„… Gummierung – ich weiß! Und das ist auch ganz normal, denn ich weigere mich, hier mit weißen Handschuhen zu sitzen, nur weil jemand wie Sie kein Liebesleben hat und stattdessen Briefmarken streichelt!“ Mann, ich wurde ziemlich sauer – und die Schlang e hinter dem Typen immer länger. „Also was nun?! Abreißen mit Pinzette? – Okayyyy….“
Und ich tat es. Ich nahm dieses Metallteil, mit dem ich bis dahin nicht mal einen Dorn von zwei Zentimetern Länge aus einem Finger hätte ziehen können, so unpraktikabel fand ich die Dinger, und kniff die erste Sondereckmarke damit zusammen. Ein schneller Ruck und – selbige war in zwei Teile zerrissen! Und dieses Schicksal erlitten in den folgenden Augenblicken auch sämtliche anderen Wertzeichen für die Sammlung von Schmieröl-Otto.
Selbiger starrte debil auf die Pinzette in meiner Hand und war vor Entsetzen wie gelähmt. Für ihn musste sich meine Aktion anfühlen wie Kindesmord.
Mit übertriebener Freundlichkeit schob ich ihm seine zerfetzten Märkchen durch den Schlitz, natürlich nicht ohne den ein oder anderen dieser Schnipsel sorgfältig abzustempeln – ganz so wie gewünscht, man wusste ja was man dem Kunden schuldig war.
„Macht dann acht Mark dreißig … bitte. Achja, und Ihre Pinzette! Bitteschön, mit Dank zurück. Wirklich praktisch, so ein Teil!“ Jetzt machte ich mir innerlich in die Hosen vor Lachen.
Otto war derweil anscheinend in völlige Apathie verfallen. Wortlos holte er sein Album aus der mitgeführten ALDI-Süd-Tüte, steckte den ganzen Papiermüll zwischen die Laschen, die eigentlich Briefmarken halten und schonend aufbewahren sollten, und schob mir anschließend einen Zehnmarkschein durch.
„Und eins siebzig zurück. Danke und bis nächsten Monat dann!“
Den letzten halben Satz hätte ich mir sparen können. Otto wurde nie mehr gesehen. In der Lokalzeitung stand mal was über einen verwahrlosten Mann, den man im Keller stranguliert mit einer halben Briefmarke auf der Zunge klebend gefunden hatte. Ob er das war?
Fragt ein Kunde den Beamten hinter dem Postschalter nach einer Briefmarke für 58 Cent und erhält auch eine. Er leckt sie an und will sie auf seinen Brief kleben, doch sie bleibt nicht haften. Er versucht es wieder und wieder, aber sie will und will einfach nicht kleben.
Entsetzt spricht er den Beamten daraufhin an, welcher erwidert:
"Ich kann mir das auch nicht erklären, es ist wie verhext mit diesem Ding! Die fünf Kunden vor ihnen haben mir die auch immer zurück gegeben, die hatten genau das gleiche Problem mit dieser Marke!"
Frühstückspause mit Hermann
Die Zeit in Oberkassel ging vorbei.
Manfred hatte mich überstanden, aber dennoch ließ er sich nach Duisburg versetzen, Man munkelt, dass da seine Gattin was gedreht hat, um ihn besser unter Kontrolle zu haben, denn schließlich wohnte man ja in Duisburg und bekam so schneller mit, wenn irgendwelche Kolleginnen auf einmal in der Anwesenheit von Schnuckel-Manni anfangen, mit den Wimpern zu klimpern.
Und ich hatte Kollegin Rowald überstanden, das wohl aber auch nur, weil ich an ihrem Schalter mangels Kasse auch keine Minusbeträge verursachen konnte, handelte es sich doch um einen reinen Ausgabeschalter – und obwohl man es denken könnte: Nein, es wurde kein Geld ausgegeben. Lediglich Briefe wechselten von Hand zu Hand, halt Einschreiben, Wertbriefe und die allseits beliebten ZU’s: Amtliche Schriftstücke mit Zustellungsurkunde, blaue Briefe eben (Heute sind sie kackgelb, was den Inhalt nicht besser macht). Meistens enthielten sie Knöllchen, oft konnte aber der Erhalt einer solchen Sendung auch ganze Existenzen der Empfänger zerstören, wenn sie
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