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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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können! Nein, Heike war wirklich fast schon dem Wahn verfallen, dass sie ihre Arbeit nicht schaffen könne, wenn sie nicht mindestens einhundertzweiundvierzig Mal je Morgen zwischen Häuschen und Haupthaus hin und her gewetzt war.
                  Und dabei war das noch nicht einmal der Höhepunkt ihres marottenhaften Treibens.
                  Sie flippte regelrecht aus, wenn Conrad Wibbel (oder bedauerlicherweise ein Jahr lang auch ich) nicht um spätestens acht Uhr dreißig – und zwar Punkt acht Uhr dreißig! – das Wort „Rundgang“ ins Mikro rief, das Zeichen also, dass jetzt die letzte Leerung der Fächer erfolgen konnte.
                  Um acht Uhr dreißig und fünf Sekunden war dann alles zu spät. Da rissen der guten Heike alle noch vorhandenen Reste eines bei Geburt sicher mal sehr lang gewesenen Geduldsfadens und sie stellte sich mit hochrotem Kopf vor den Mann im blauen Hemd mit dem dunkelblauen Pullunder drüber, um ihn im Stakkato anzuschreien:
                  „ Wie – soll – ich – denn – jetzt – mei – ne – Tour – schaf – fen - ??? “
    Was jener Mann mit stoischer Ruhe und absoluter Bewegungslosigkeit wie folgt beantwortete:
                  „Wie im – mer!!! Indem du trotzdem in spätestens anderthalb Stunden wieder zurück bist.“
                  Womit er Recht behalten sollte. Denn Heike gehörte zu den Briefträger/innen, die von der eigentlich vorgesehenen Vierzig-Stunden-Woche weiter entfernt waren als Oberbayern vom Elbestrand. Egal, wie das Wetter war. Egal, wie hoch das Postaufkommen auch sein mochte: Sie begann um halb sechs – und spätestens um halb elf war sie auf dem Heimweg. Ob da nun um halb neun „Rundgang“ war oder um viertel vor neun – wurscht. Ob Telefonrechnungen (die damals noch jeder Haushalt mit Telefonanschluss in den Briefkasten bekam) und die ADAC-Motorwelt (die auch praktisch jeder Haushalt mit Auto in den Briefkasten bekam) am selben Tag wegzuschaffen waren: Heike stand plus/minus wenige Minuten immer zur gleichen Zeit wieder auf der Matte um abzurechnen. Auf diese Weise kam sie selbst bei der damals noch üblichen Sechstagewoche auf eine Gesamtstundenzahl von vielleicht dreißig – das musste man erst mal einem Akkordarbeiter am Fließband bei Ford erklären!
                  Wenn man sie dann durch ihren Zustellbezirk rasen sah, dann musste man sich wundern, dass die Leute ihre Briefe überhaupt noch in die Kästen gelegt bekamen und sie sie stattdessen nicht schon dahingehend erzogen hatte, dass sie zu einer festgelegten Zeit mit ausgestreckten Händen am Straßenrand zu knien hatten, damit sie ihnen die Umschläge im Vorbeifahren in selbige drücken konnte.
                  Um Heike Schlabowske nicht im falschen Licht darzustellen: Außerhalb der Zeiten zwischen halb 6 und halb elf morgens war sie ein echtes Seelchen, dann konnte man mit ihr köstlich Spaß haben – aber in diesen fünf Stunden, da war sie ein anderer Mensch, da ging man ich am besten einfach aus dem Weg. Es sei denn man war suizidial.
                  Zusteller von der Art einer Heike Schlabowske waren es dann auch, die mit ihrem vermeintlich unvermeidlich hohen Arbeitstempo dazu beitrugen, dass Zustellbezirke im Lauf der Jahre immer größer wurden und damit die Zahl der beschäftigten Briefträger immer mehr abnahm. Schließlich hatten sie mit ihrem Gehetze eindrucksvoll bewiesen, dass man einen Bezirk auch in wesentlich geringerer Zeit schaffen konnte als die Post-Manager das mit ihren Mess-Instrumentarien je hätten herausfinden können. Soll sogar schon Briefträger gegeben haben, die hatten sich doch glatt selbst weg rationalisiert.
                  Hoffentlich schießt die Nationalelf niemals so derbe Eigentore.
                  Ganz anderes hingegen waren da Kollegen wie beispielsweise der Helmut Dasch (weder verwandt noch verschwägert mit dem ähnlich lautenden Waschmittel), einer der ruhenden Pole unter Meerbuschs Postboten. Ich denke, dem hätte man auch erst abends zur Tagesthemen -Zeit das Okay zum Ausrücken geben können – er hätte sich dann eben eine Grubenlampe an die stets akkurat auf dem Haupt sitzende Post-Schirmmütze getackert, mit der er aussah wir die Billigversion von Kapitän Weiss vom ZDF-Traumschiff.
    H elmut Dasch, Bernd Wenzel (auch immer mit selbigem Billo-Käppi), Josef Fürstenhofer (Preisfrage: Welchen

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