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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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passiert.
    Fragt er seine Frau: "Gibt es denn was neues?" Meint die Frau: "Nö eigentlich nicht. Ach doch ja –  unser Postbote ist gestorben."

23
     

Honeckers letzter Rachefeldzug
     
    „Gudn Dööch! Wö kannsch denn hiörs Begrüßungsgöld grischn?“
    Man schrieb den 11. November 1989. Auf dem Weg zum samstäglichen Dienst war mir bereits der für mich erste Trabbi in freier Wildbahn fast über die Füße gefahren, als er neben mir stoppte und mich eine Frau in diesem fremdartigen Dialekt fragte, den man in den letzten beiden Tagen bereits rund um die Uhr auf sämtlichen Fernsehsendern nahezu ausnahmslos gehört hatte, wie sie zum „Loocher Weesch“, zum Laacher Weg also, finden würde. Ich hieß sie und die ebenfalls im Plaste-Auto sitzende Familie herzlich in Meerbusch willkommen und erklärte ihr, wie sie am besten zum Haus von „Muddi un Popo“ gelangen würde.
    Ja, es waren schon besondere Tage, damals, nach dem Fall der Mauer. Abgesehen von den paar Fehlgeleiteten, die bereits bei Schabowskis Gestottere („Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich“ ) mit Betonmischern zur Mauer fahren wollten, um bereits Eingerissenes gleich wieder aufzubauen, waren die Deutschen voll des Glückes – und gingen ungewohnt liebevoll miteinander um.
    „ Gudn Dööch! Wö kannsch denn hiörs Begrüßungsgöld grischn?“, fragte also der freundliche Mann, der an jenem Samstagmorgen vor mir am Schalter stand. Hinter ihm aufgereiht standen noch eine Frau und drei Kinder, alle trugen sie dasselbe Modell eines Nylon-Rolli, allerdings in verschiedenen Farben. An ihren Jeanshosen bimmelten an der unteren Seitennaht teilweise niedliche Glöckchen – es waren wohl aufgetragene Jinglers aus dem Hause Charles & Anthony (oder auch Charme & Anmut … Sie wissen schon), die West-Verwandte ihnen im Care-Paket geschickt hatten. Todschick war anders, aber mein Gott, man wusste es schließlich: Sie hatten ja nichts da drüben.
    „Bitte, der Herr… Können sie das noch mal wiederholen? Ich habe sie leider nicht verstanden.“ Es tat mir ja irgendwie leid, aber gleich war nun mal nicht immer gleich, und das galt auch für unsere eigentlich identische Muttersprache.
    „Im Rodio habsch ghört, ma kanns Begrüßungsgöld nü beier Pöst begömmn. Wir wärn dönn dö, alsö: Wo grischn wir die fünf Scheinchn?“ Dabei lachte er bis über beide Wangen – ich aber schaute verstört. Von Begrüßungsgeld hatte ich natürlich gehört. Und ich hatte im Fernsehen auch gesehen, dass in Berlin sämtliche Banken und auch die Post die Hunderter unter die Leute brachten, die über die offenen Grenzen strömten.
    Aber hey! Das war Berlin! Da lag es nahe, dass sich da der ein oder andere DDR-Bürger blicken ließ – aber hier, in Meerbusch? Wie hatten die das geschafft in zwei Tagen – mit einem Trabbi???
    „Ich muss mich selbst erst erkundigen. Bitte einen Moment Geduld.“ Die fünf bimmelnden Hosen lächelten demütig und nickten. Ich ging in den Nebenraum und fragte die Kollegen. Allgemeine Ratlosigkeit, nichts als Fragezeichen in den Gesichtern.
    „ Musse telefonieren.“, sagte Martin von Lepper, „Aber is‘ Samstag, da erreichste eh niemand.“ Womit er Recht hatte, denn nur die Deppen am Schalter sowie Zusteller oder Verteilpersonal arbeitete am Sonnabend, die Damen und Herren in den Büros, die das eigentliche Sagen hatten, lagen noch mit dem Allerwertesten im Bett.
    „Was sag ich denen denn jetzt? Die freuen sich doch schon so…“. Mir taten unsere Brüder und Schwestern leid. Jetzt hatten sie die weite Reise gemacht – und mussten mit leeren Händen wieder gehen. So nach dem Motto: „Bananen sind aus!“ hieß es im Westen: „Geld is‘ aus!“
    Ich begab mich wieder an meinen Schalter u nd erklärte der Nicki-Family, dass es leider Probleme gäbe, weil ich nicht wüsste, wie ich die Auszahlung verbuchen sollte. Papa Ossi nickte verständnisvoll und meinte, es wäre nicht schlimm. Sie wären ohnehin das Wochenende eingeladen bei Tante Olga und Onkel Siegbert, da bräuchten sie kein Geld und ob sie denn dann Montag wiederkommen dürften. „Ja gut,“ sagte ich, „bis dahin weiß ich mehr. Und falls nicht, dann … mach ich eben fünfhundert Mark minus, haha!“ Worin ich ja Übung hatte.
    Am Montagmorgen kam da nn Betriebsleiter Grothe schon am frühen Morgen in ungeahnten Stress. Stand um diese Uhrzeit für ihn sonst nicht mehr auf dem Programm als kurz seinen Kopf zur Tür rein zu stecken und

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