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Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen

Titel: Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Wissen
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einen guten Morgen zu wünschen, so kam es an diesem Tag ganz dicke: Alle Chefs der Postfilialen in Westdeutschland – weil es für die im Osten jetzt nicht so wahnsinnig viel Sinn gemacht hätte – hatten ein Fax mit der Anleitung bekommen, wie denn nun verfahren werden sollte, wenn DDR-Bürger an den Schaltern nach den einhundert Deutsche Mark Begrüßungsgeld fragten, die ihnen zustanden, sobald sie in die Bundesrepublik einreisten. Was ja nun ganz einfach war, also rechnete man mit Andrang überall. Und wir sollten in den nächsten Wochen und Monaten merken, dass Meerbusch tatsächlich ein beliebtes Reiseziel für unsere Landsleute aus den Gegenden um Dresden, Magdeburg und Rostock war.
    Anscheinend war meine Heimatstadt voll von Menschen, die Verwandte und Bekannte im nun befreiten Teil Deutschlands hatten. Hätte einem aber auch schon in all den Jahren vorher dämmern können, in denen man – vorzugsweise vor Weihnachten – von Paketen erschlagen wurde, die alle „in die Zone“ geschickt wurden und bei denen man schon auf der Vorderseite lesen konnte, was der Inhalt war. Denn lange Zeit verlangte die DDR-Post, dass der Absender haarklein außen auf dem Paket aufführte, was er rein gepackt hatte .
    Kaffee und Schokolade waren immer dabei. Wer einmal den im Osten als modernste Errungenschaft auf dem Kaffee-Sektor gepriesenen „Kaffee Mix“ probiert hatte, der wusste warum Tante Martha aus Büderich guten Tchibo-Kaffee schicken sollte: Vor diesem Mix kapitulierten sogar die DDR-Brühmaschinen, weil er einfach nicht auch nur annähernd nach Kaffee schmecken wollte. Was konform dazu auch für die Schokolade galt – die der DDR hatte vielleicht mal neben einer Milka gelegen, mehr aber auch nicht.
    „ Also, wenn einer unserer Brüder und Schwestern aus der Deutschen Demokratischen Republik …“, hob Herr Grothe pathetisch an, „ zu ihnen an den Schalter kommt, um sein Begrüßungsgeld zu holen, dann gehen sie so vor: Sie bitten um seinen Personalausweis. Der hat die gleiche Größe wie unserer, ist aber blau. Den klappen sie auf und drucken auf der nächsten freien Seite den Tagesstempel ab. Dann nehmen sie sich einen schwarzen Rückzahlungsschein, den sie normalerweise für Auszahlungen aus einem Postsparbuch nehmen und schreiben da den Namen des Bittste … äh, des Berechtigten drauf auf.“ Er las weiter in seiner Aweisung. „Ach ja, und dann müssen sie nur noch abzählen, wie viele Personen noch dabei sind, also Frau und Kind oder Kinder … oder so…“
    Dieses „Oder so“ machte mich schon etwas stutzig. Bei der Deutschen Bundespost mal eben so ein paar Hunderter bekommen, ohne dafür ein Visum oder eine Bestallungsurkunde vorlegen zu müssen? So ein popeliger Ausweis sollte reichen, und das sogar ohne das man irgendeine Nummer notieren musste? Und als Krönung bekamen auf einen einzigen Pass gleich mehrere Leute Kohle, ohne dass diese auch nur ihren Namen nennen mussten?
    „Das nenn‘ ich mal unbürokratisch!“ bemerkte Martin von Lepper. „Da schreibste nur ,+ 3 Kinder‘ hinter den Namen von dem Vatter, dann kriegt der vier Blaue. Der kann doch da irgendwelche Gören vonne Straße mit rein bringen, merkt kein Mensch.“
    Wo er Recht hatte, hatte er Recht … Gleich in mehreren Kollegen-Köpfen ratterte es sichtlich los. Die Idee war gar nicht mal so schlecht …
    Nachdem Grothe endlich das tat was er sonst schön längst um diese Zeit tat, nämlich sich in sein Büro verziehen, die Stullen auspacken und Zeitung lesen – was halt ein Betriebsleiter so tut – rotierten unsere Hirne in Überschallgeschwindigkeit. Der Satz von Kollege von Lepper mit den Straßenkindern hatte etwas ausgelöst, das ganz große Folgen haben konnte. Und dann auch hatte. Er sollte die Bundesrepublik Deutschland ein paar Mark kosten…
    Ursula Grünwirth war die erste, die ihre Gedanken laut aussprach: „Tss, das probier ich einfach aus. Wenn der erste Ossi kommt, dann häng ich dem zwei Kinder an – aber erst wenn der weg ist! Macht zweihundert Ocken für mich, hehe!“
    Das war auf verblüffende Weise richtig. Aber wo war der Haken? Bei der Post gab es immer einen Haken – immer. Es war nicht möglich, dass da dieses Mal eine so riesige Lücke im System war, die es unterbezahlten Schalterkräften so einfach machte, an ein paar Scheinchen nebenbei zu kommen. Es musste immer alles doppelt und dreifach geprüft, gegengebucht und von Zeugen bescheinigt werden – und hier sollte es ausreichen, da „+ xxx

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