Gelegenheit macht Diebe - Nicht alles, was schwul ist, glänzt (German Edition)
der Ausgelassenheit des Alkohols hingaben. Das ist der Teil, den man am nächsten Tag im Büro dann meistens bereut, weil man sich völlig zum Affen gemacht oder sich einflussreiche Feinde geschaffen hat. Zum Beispiel dadurch, dass man dem Chef gesagt hat, was man wirklich von ihm hält.
Nebenbei wurden fleißig Spenden gesa mmelt und der Rest der Getränke vernichtet. Ich glaube, das ist die einzige Firma, die nach einem Betriebsfest keine einzige volle Flasche mehr übrig hat.
Andrea war jetzt richtig in Feierlaune. Mit ein paar ihrer A rbeitskollegen sprach sie ab, wo sie nach der Feier in der Firma noch einen draufmachen könnten. Mich fragte sie auch, ob ich mitkommen wolle, aber ich hatte keine Lust. Ich war erledigt von dem ganzen Gewusel und wollte nur noch ins Bett. Wir verabschiedeten uns also voneinander, wünschten uns eine gute Nacht und ich machte mich auf den Heimweg.
S chön, diese Ruhe. Sternklarer Himmel, eine angenehm warme Luft und wieder dieser Duft von Frühling. Dieses Feeling wollte ich noch ein bisschen auf mich wirken lassen, also setzte ich mich auf die nächstbeste Bank vor einem der Geschäfte am Rande der Stadt und atmete tief durch.
Auf einmal erblickte ich eine Gestalt, die auf mich z ukam. Als diese Gestalt ins Licht trat, erkannte ich, dass es Marco war. Ich hob meinen Kopf. Ja! Es war wirklich Marco! Ich konnte es gar nicht glauben.
Aufgeregt stand ich auf und grüßte ihn: „Hi.“ Er schien mich nicht wiederzuerkennen, jedenfalls schaute er einmal kurz zu mir rüber und ging ei nfach an mir vorbei. „Hey, Marco“, rief ich ihm nun etwas weniger enthusiastisch hinterher.
Er blieb st ehen und drehte sich um. Mein Lächeln wurde schlagartig wieder glücklicher. Ich hatte ihn ja hübsch in Erinnerung, aber SO hübsch???
Ohne die Miene zu verziehen, gab er ein mürr isches „Hm?!“ von sich. Was war denn nur los mit ihm? Kannte er mich wirklich nicht mehr?
„Ich bin ’s, Jan.“ Auch jetzt wurde sein Gesicht nicht freundlicher und mein Lächeln verschwand völlig. „Wir haben uns neulich in einem Club kennen gelernt ... im Knock’Out ... Nein?“ Nein, er kannte mich wirklich nicht mehr, was mich allmählich echt traurig machte.
Ich versuchte mir einzureden, dass er wohl so beso ffen gewesen war, dass er sich deswegen nicht an mich erinnern konnte. Ja, das musste es sein, er war sturzbetrunken gewesen, auch wenn man es ihm nicht angemerkt hatte und er viel besser gerochen hatte ... viel, viel besser. Oh mein Gott, hatte der gut gerochen!
Er musste sogar so voll gewesen sein, dass er sich im Suff mit jemandem geprügelt hatte. Woher hatte er denn dieses Vei lchen unterm Auge? Er ist doch gar nicht der Typ, der sich schlägt.
Ich hätte ihn so gerne gefragt, wie das mit dem blauen Auge pa ssiert war, aber er ging einfach weg. Das mit dem Einreden fiel mir schwer, er war nicht besoffen gewesen, ganz im Gegenteil ... aber vielleicht war er es jetzt?
Ich war völlig durcheinander. Beim letzten Mal war er doch so nett gewesen. Warum war er jetzt auf einmal so anders? Bedröppelt sah ich ihm nach. Ich ve rstand die Welt nicht mehr. Und es war keine Andrea da, die mich trösten konnte.
In den darauffolgenden Wochen traf ich Marco immer mal wieder zufällig in der Stadt. Jedes Mal machte ich mir wieder Hoffnungen, dass er es sich vielleicht nochmal anders überlegt hatte und doch wieder mit mir reden mochte. Wollte er aber nicht. Wann immer wir aufeinandertrafen, wich er mir aus.
Einmal erwischte ich ihn am späten Abend, wie er g erade sitzend auf einer Bank döste. Das war wieder da, wo ich ihn das erste Mal wiedergesehen hatte. Ich wollte ihn nicht wecken, er wirkte so niedlich und hilflos da auf seiner kleinen Bank. Sein Gesicht war immer noch genauso süß wie am ersten Tag. Nur diese grausame Schramme da an seinem Auge ... hatte sich das entzündet? Neulich war es noch blau gewesen, jetzt war es rot und dick. Sollte ich einfach weitergehen, oder ihn ansprechen?
Ein paar Mal hatte ich es versucht, mit ihm ins G espräch zu kommen. Wenn wir uns zum Beispiel an einer Ampel auf der gegenüberliegenden Straßenseite sahen, oder er aus einem Kiosk kam, in den ich gerade rein wollte, oder ich einfach irgendwo lang ging und ihn vor mir sah und nach ihm rief. Aber er machte dann kehrt und ging nicht über die Ampel, oder tat so, als würde er mich nicht hören, und schlug eine andere Richtung ein, oder ging einfach schneller, damit ich ihn nicht einholen konnte.
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