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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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mit Pilzdüften und Dill. Ich strich behutsam über das weiche, feuchte Moos und legte meine Hände auf den Fels. Hunderte Millionen Jahre alt. Vielleicht war auch ein Fünkchen Weisheit für mich dabei? Eiszeitstreichelzoo.
    Ich brauchte nur aus dem Haus zu gehen und nach ein paar hundert Metern war ich mitten im Paradies. Wie hatte ich es so lange in Wien ausgehalten? Hier grüßten die Leute auf der Straße und hatten unverkniffene Gesichter. In der Früh sagten die Kinder respektvoll Guten Morgen, wenn sie mir auf ihrem Schulweg begegneten. Proper, freundlich, wohlerzogen.
    In den Blättern der üppigen Gewächse, die auf Vorsprüngen und in den Spalten der Felswand wucherten, raschelte es.
    Ich malte mir aus, auf Dauer hier zu leben. Wäre nicht das Schlechteste. An die kleine Wohnung hatte ich mich längst gewöhnt. Der unverhoffte Job machte mir Spaß. Die Zeit bei der Polizei war nur noch ein verblassender Traum.
    Ein Duft nach Minze wehte vorüber.
    Schöne Frauen gab es auch.
    Ein großer Vogel flog plötzlich auf und flüchtete schnatternd. Ich lief weiter. Die Bäume lichteten sich. Ich trabte über eine gut zehn Meter lange Holzbrücke zum anderen Ufer und lief den Weg auf der Gegenseite zurück. P2 Richtung Wegmühle: fünf Kilometer. Halbzeit.
    An einer Biegung empfing mich ausgelassenes Geschrei. Zwischen zwei Bäumen war ein dickes Tau über den Bach gespannt. Daran hing ein Seil mit einem kleinen hölzernen Boot, das in der Strömung schaukelte. Drei Kinderkapitäne wuselten darin umher und überboten einander im Kommandieren. Das Boot sah klobig aus, wie in der Garage zusammengeschraubt. Am Bug stand »Santa Maria«. Die Mütter saßen auf einer Bank am Ufer und beobachteten besorgt ihre schwimmwestenlosen Sprösslinge. Hier war der Rauschelbach immerhin wadentief. Auch wenn sich das Boot losriss, würde es spätestens an einer der seichten Stellen stranden, an denen die Felsen nur notdürftig vom Wasser überspült wurden. Bis zur fernen Einmündung in die Donau schaffte man es nicht einmal mit einem Kajak.
    Ich lief weiter und wich einer kleinen Promenadenmischung aus, die kläffend herumsprang. Ich erinnerte mich, dass eine Freundin von Bettina gerade ein Kajak gekauft hatte und ganz begeistert davon war. Ein Kilometer noch. Langsamer, cool down.
    Wie hieß eigentlich die Kajakfreundin von Bettina?
    Ich rannte beinahe zwei Nordic Walkerinnen über den Haufen und verlangsamte meine Schritte.
    Was stand noch mal auf der Serviette?
    Die beiden Walkerinnen schwenkten erbost ihre Stöcke.
    Das Wettcafé und der Halbe Anker waren beide im Hafenviertel. Wenn Michaela nun der Name eines Schiffs war?
    Ich machte, dass ich nach Hause kam.

    *

    Ich saß in Shorts am Küchentisch und klappte das Notebook auf. Der Duft des frisch gemachten Kaffees mischte sich mit den Shampoo-Ausdünstungen meines noch feuchten Haars.
    In Linz gab es sogar mehrere Häfen: die der großen Industriebetriebe an der Donau, die Werft, ein Containerterminal, einen Handelshafen und einen Tankhafen. Vom Yachthafen und den bloßen Anlegestellen gar nicht zu reden. Die Idee war also gar nicht so weit hergeholt. Obwohl es natürlich immer noch bloß eine Frauenbekanntschaft sein konnte. Ich hatte das Gefühl, dass es um Richter noch so einiges gab, von dem niemand wusste. Aber vielleicht hatte eine Michaela einmal in Linz angelegt und würde es eventuell wieder tun.
    Die Ergebnisse bei Google waren, wie immer bei unbedarften Suchen, gleichermaßen zahlreich wie nutzlos. Ich fügte »Donau« hinzu. Immer noch nichts Gescheites. Die dicke Nachbarskatze, weichgezeichnet durch die weißen Vorhänge, trieb sich beim unbewohnten Haus gegenüber herum. Vielleicht auf Englisch. Ship? Nein, Vessel. Viel besser. Dutzende Seiten widmeten sich dem Schiffsverkehr. Vessel tracking online. Vessel finder. Cargo tracking. Ich klickte auf den ersten Eintrag. Eine Seite mit Details wurde angezeigt. Cargo ship, Lagos. Nicht meine Michaela. Ein Button mit der Aufschrift »Live map« war zu sehen. Klick. Eine Weltkarte erschien. Ich zoomte zur Donau und suchte sie ab. Pfeile repräsentierten Schiffe. Excellent King, 7 knots. Saharovsk, 6,5 knots. Stadt Wien, 0 knots. Wohl gerade im Hafen. Oder gesunken. Aber keine Michaela von Linz bis Konstanza. Der Lüfter meines Computers schaltete sich ein und brauste dahin wie eine kleine Turbine.
    Ich vergrößerte die Ansicht und arbeitete mich vom Donaudelta durch Rumänien und Serbien nach Ungarn hoch. Bei

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