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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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Applaus und wir durften aufstehen.
    »Wie hat’s dir gefallen?«, fragte Elisabeth und sah mich erwartungsvoll an.
    »Hervorragend«, sagte ich. »Nur die Musik war mehr wie Grillengeschabe.« Kant, der Theaterkritiker. Sie antwortete nicht darauf. Wir schlenderten zum Auto.
    »Hast du noch Lust auf einen Drink?«, fragte ich.
    Sie schwieg ein paar Sekunden. »Ich möchte nicht in ein Lokal.«
    Schade. Ich genoss ihre Gesellschaft.
    »Wir könnten  … «, sagte sie. Plötzlich kippte ein Schuh um und sie stolperte gegen mich. Sie fing sich schnell wieder und wich zurück.
    Vorher war sie geübt und souverän dahingeschwebt.
    »Vielleicht  … « Sie räusperte sich, sah mich an und fixierte schließlich die andere Straßenseite. »Vielleicht könnten wir bei mir noch etwas trinken?« Sie suchte den Boden vor ihr nach gefährlichen Schlaglöchern ab. »Wenn du magst«, sagte sie leise.
    Ich wollte sehr gerne.
    »Ist etwas kaputt?«, fragte sie, als nach zweimal Starten der Motor immer noch nicht lief.
    Im gleichen Moment schnurrte er laut auf. »Alles perfekt«, sagte ich und reihte mich in den Verkehr ein.
    Elisabeth spielte mit einer Haarlocke. Sie öffnete und schloss ihre Handtasche, blickte zu mir und gleich wieder aus dem Seitenfenster. Als ich beim Schalten unabsichtlich ihr Knie berührte, zuckte sie zurück. Ich fuhr schneller.
    Vor dem Haus entglitt ihr der Schlüsselbund. Unsere Hände berührten sich, als wir ihn ungeschickt aufhoben. Die Tür fiel zu. Sie schlüpfte im Dunkel aus den Schuhen und atmete schneller. Als wir uns küssten, spürte ich ihren Herzschlag. Auf dem Weg ins Schlafzimmer ließ ich das Jackett fallen, während Elisabeth ungeduldig an meiner Krawatte zerrte. Ich zog am dünnen Reißverschluss. Ihr Kleid fiel geräuschlos auf den langhaarigen Teppich.
    Nachdem wir den ersten Heißhunger gestillt hatten, zeigte sie sich unendlich zärtlichkeitsbedürftig. Und ich war gern zu Diensten.
    Elisabeth zündete Kerzen an. Wir wanderten durchs Wohnzimmer in die Küche und inspizierten den riesigen Kühlschrank. Sie war in eine dünne Seidenrobe gehüllt. Ich hatte Hemd und Shorts an.
    Sie gab mir eine Flasche und leerte Eis in den Kühler. »Oder möchtest du lieber Wein?«, fragte sie. »Ich habe auch Bier gekauft.«
    »Champagner ist okay«, sagte ich. Veuve Clicquot, fein. Freudig ploppend sprang der Korken heraus. Sie kippte aus einer größeren Schuhcremedose Kaviar in ein Kristallschüsselchen, das sie in eine eisgefüllte Silberschale stellte. Beluga, sah ich auf dem Deckel. Es gab auch kaltes Huhn und Früchte. Auf den Servietten stand »Feinkost Fink«. Exklusiv, teuer und sehr gut. Sie hatte sich viel Mühe gegeben.
    Wir schleppten alles ins Wohnzimmer. Die juristischen Bücher waren verschwunden. Elisabeth rückte nahe an mich, während wir uns über die Köstlichkeiten hermachten. Unsere Gläser klirrten. Ihre Robe klaffte. Ich himmelte sie über den Rand der Champagnerschale hinweg an.
    Sie kicherte. »Sehr dekadent.«
    Ich nickte und bewunderte ihre Schenkel.
    Irgendwann landeten wir wieder im Bett. Gegen vier Uhr schlief sie erschöpft ein. Ich betrachtete ihr wirres Haar und die entspannten Züge. Manchmal machten ihre Lippen beim Ausatmen leise »pff«. Ihre Wäsche lag im Schlafzimmer verstreut. Ich zog die Decke behutsam über ihre nackten Schultern.
    Was hatte Bettina, das ich nicht auch bei Elisabeth finden könnte? Ich löschte die Kerzen, die noch nicht heruntergebrannt waren. Die Vögel waren schon wach, als ich in traumlosen Schlaf sank.

5
    Am Montag um sieben trafen tief unter mir nacheinander drei Sattelschlepper mit ukrainischen Kennzeichen ein. Der Motorenlärm verstummte. Aus einem der Führerhäuser drang schwermütige Musik. Als würden sie ein U-Boot auf dem Meeresgrund verlassen, kletterten die Fahrer vorsichtig aus ihren Kabinen. Sie versammelten sich zwischen zwei der Laster, rauchten und unterhielten sich. Letzte Dieselwölkchen schwebten in der Morgenkühle zu mir hoch.
    Seit vier Uhr früh saß ich auf dem moosbewachsenen grauen Zinkdach des Lagerhauses und harrte der Ankunft der Mihaela. Ich zog meine olivgrüne Wollhaube tiefer. Der Sonnenaufgang war spektakulär und wärmeverheißend, letztlich aber nur ein Placebo gewesen. Ich konnte zwei Hafenbecken, die meisten Gebäude und die in Kaimitte verlaufende Straße überblicken.
    Ich schenkte mir Kaffee aus der Thermosflasche ein. Schwarz und süß. Zwei Liter Wasser, drei Snickers. Eine Plastikflasche

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