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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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Schwarzes drahtiges Haar und schneidiger Schnurrbart wie Attila der Hunnenkönig. Kfz Krugluger. Ihr Fahrzeug ist in Meisterhand. Er wischte seine ölverschmierten Hände in einen ebenso öligen Lappen. Ritualwaschung.
    Willi Weichselbaum, mein weißköpfiger Nachbar, hatte mir den Tipp nebst einer Wegbeschreibung gegeben. Andernfalls hätte ich nie hergefunden. Die Autowerkstatt war in einem umgebauten schmucken Vierkanthof untergebracht. Rundum waren nur Wälder und Felder und die schmale gewundene Zufahrtstraße. Laufkundschaft verirrte sich bestimmt nicht hierher.
    »Sollen wir den Starter auch gleich überholen? Da gibt’s ein Reparaturset dafür.« Er warf den Lappen auf eine Werkbank.
    Mit ÖAMTC-Unterstützung war ich gestern schließlich nach Hause gekommen und hatte lange und heiß geduscht. Nach zwei Portionen Tiefkühllasagne mit Endiviensalat und ein paar Gläschen Rotwein war ich ins Bett gegangen.
    Der elfte Startversuch heute Morgen hatte Erfolg gehabt und mich in Kruglugers Reich befördert. An einer Wand hing ein handgemaltes Schild: »Hier wird hochkonsentriert gearbeitet. Kein Zutritt für Kunden.« Ich sah mich um. Was mochte früher hier drin gewesen sein? Ein Stall? Meister Krugluger musste die Zwischendecken herausgebrochen haben. Im Boden neben dem Tor war ein Bremsenprüfstand eingebaut. Große elektronische Testgeräte auf Rollen standen herum. An einer Wand hingen Diagnosebildschirme. Autos in verschiedenen Zuständen der Zerlegung, in deren Eingeweide junge Mechaniker bis zu den Hüften steckten. Neben dem hochgezogenen Tor ein Stapel nagelneuer Breitreifen. Ich fühlte mich wie in der Höhle von Batman. Aus dem Büro, das durch eine gläserne Wand von der Werkstatt getrennt war, drang unentwegtes Telefongeklingel. Kfz Krugluger mochte am Ende der Welt sein, aber technisch war das Unternehmen voll auf der Höhe.
    Morgen Nachmittag? »Ja, schon. Bitte«, antwortete ich und überlegte mir Transportmöglichkeiten. Aus dem Kofferraum nahm ich meine Reisetasche für Unvorhergesehenes. Die wollte ich nicht in der Werkstatt lassen.
    »Wo müssen Sie denn hin? Der Lackner fährt nach Linz, der kann Sie mitnehmen.« Krugluger zeigte durch die Glasscheibe auf einen kleinen Mann mit Schmerbauch, der auf einem Sofa saß und eine Kaffeetasse in der Hand hielt. »Einen Mordssteinschlag haben Sie auch in der Scheibe«, klagte er mich an.
    »Ja, Linz ist super. Danke«, sagte ich, und flüchtete ins Büro.
    »Von innen«, rief er mir nach und schüttelte den Kopf, dass der Schnurrbart zitterte. »Wie gibt’s denn so was?«

    *

    Herr Lackner war nicht sehr gesprächig gewesen. In seinem Auto lagen Zündholzschachteln mit Werbeaufdrucken verschiedener Nachtklubs und Tagesbars. Er hatte mich in Linz aussteigen lassen und war dann unbekannten Zieles weitergefahren.
    Ich betrat die Mietwagenstation. Der Geschäftsraum war so groß wie das Wartezimmer meines Zahnarztes. Zwei Plastiksessel, ein rundes Tischchen, ein Tresen, hinter dem eine hübsche junge Frau in gelb-schwarzem Kostüm lauerte. Auf einem Schild an ihrem Blazer stand »Julia Schumann«. Knallroter Lippenstift. Schwarzes nackenlanges Haar, in den Mundwinkeln ein beständiges leichtes Lächeln, wie ein tropisches Fieber, das jahrelang schlummert, bevor es ausbricht. Ich war der einzige Kunde. Ich erkundigte mich nach dem Angebot.
    »Ich kann Ihnen einen Wagen aus unserer Prestigeklasse anbieten. Der wäre sofort verfügbar«, flötete sie pflichtschuldig und hielt mir eine bunte Broschüre unter die Nase.
    Das hörte sich teuer an. »Und was gibt es noch?«
    »Einen Ford Fiesta bekomme ich heute Nachmittag herein«, sagte sie und sah auf die Uhr an der Wand. »Wenn Sie den wollen, würde ich Sie anrufen, sobald er eingetroffen und fahrbereit ist.« In ihren Augen war ein unbotmäßig revolutionäres Leuchten, als stünde sie mit einem Bein in einem Paralleluniversum, in dem es ganz anders zuginge als hier.
    »Ich meine, jetzt gleich«, sagte ich.
    »Jetzt gleich kann ich Ihnen nur einen Wagen aus unserer  … «
    »Ja, gut, alles klar«, unterbrach ich sie schnell. »Ich nehm ihn.« Ich wollte nicht stundenlang warten und Almuth Amras würde das gewiss nicht wehtun. Allerhöchste Zeit, mich an Spesenkonten zu gewöhnen.
    Ihre Finger schwebten über einer Tastatur. Sie zog eine Augenbraue hoch. »Herr Kant, richtig?«, fragte sie süffisant, als wäre es ganz offensichtlich ein falscher Name. Sie tippte klackernd meine Daten in das

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