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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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Containertüren. Was eingeladen oder ausgeladen wurde, konnte ich nicht sehen. Um nicht einzuschlafen, notierte ich das Kennzeichen. Wenig später trafen zwei Kastenwagen ein. Dann ein VW-Bus mit der Aufschrift eines Autovermieters. Ein ramponierter Kombi schloss nach Einbruch der Dämmerung den Reigen ab. Der Container lag wieder verlassen da.
    Die Mihaela hatte mittlerweile neue Fracht in ihrem Bauch. Arbeiter begannen im Scheinwerferlicht, stählerne Abdeckungen über die Laderäume zu schieben und festzuschrauben. Ich zuckte zusammen, als jemand aus dem das Schiff umgebenden Dunkel trat, an Bord ging und in einer Kajüte verschwand. Ich maßregelte mich für meine Nachlässigkeit und streckte meine kribbelnden Beine aus. Hoffentlich würde die Person das Schiff wieder verlassen. Kant, der schläfrige Schnüffler. Ich schüttelte die Thermosflasche. Auch kein Kaffee mehr da.
    Ein paar Minuten später war es soweit. Diesmal war ich wachsam. Ein Mann, so groß wie ich, kräftig, kurzes blondes Haar, dunkle Jacke und blaue Leinenhosen. Er kam aus der Tür und sprang an Land. Mit einer kleinen Tasche in der Hand ging er den Kai entlang, von den wenigen Bogenlampen spärlich beleuchtet.
    Ein echter Berufsdetektiv – also ein Vollprofi, der es mit jedem Ehestörer aufnehmen konnte – hätte jetzt einen Adapter auf sein Fernglas geschraubt und mit einer teuren Digitalkamera mindestens zwanzig gestochen scharfe Bilder geknipst. Womöglich sogar mit Nachtsichtgerät, damit er seine Augen nicht so arg anstrengen musste. Ich hatte gar keine Kamera und auf meinen billigen Gucker passte sicher kein Adapter. Was das Nachtsichtgerät betraf – naja. Ich beschränkte mich darauf zu raten, was in der Tasche war.
    Der Typ sah aus, als könne er jemandem mit zwei Fingern den Hals brechen. Vielleicht Richters Hals? Den ganzen Tag waren keinerlei bemerkenswerte Aktivitäten zu sehen gewesen. Dunkelmann mit Tasche im Finstern war wesentlich verlockender als regloses Schiff im Scheinwerferlicht.
    Ich schlich gebückt zum Rand des Daches, sah, wie er hinter einer Gemüsehalle verschwand und machte mich an den Abstieg. Jeder rüstige Rentner hätte mich mit Leichtigkeit überholt. Das lange Ausharren im Regen zeigte erst jetzt seine Wirkung. Als ich endlich unten war, lief ich zur Gemüsehalle. Meine Steifigkeit verschwand langsam. Der Salsa-Kurs fiel mir ein. Ich hörte, wie ein starker Motor angelassen wurde. Beflügelt rannte ich geradeaus weiter, überquerte die breite Straße und sprang in mein Auto. Ich drehte den Zündschlüssel. Statt sprungbereit aufzuheulen, sagte der Motor geradezu aufsässig »Klack«. Mit sinkendem Mut versuchte ich es noch einmal. Diesmal verharrte er in trotzigem Schweigen. Von links näherten sich Scheinwerfer. Ich riss mein Fernglas aus dem Rucksack, knallte damit gegen die Windschutzscheibe, die prompt einen Sprung bekam, und konnte gerade noch das Kennzeichen erkennen. Ein zum Glück sehr sauberer Audi A5 in Schwarz. Wenigstens etwas. Ich ließ das Fernglas in den Fußraum fallen und notierte schnaufend die Nummer.
    Ein gewiefter Ermittler hätte sich niemals auf sein altersschwaches Rostmobil verlassen, sondern säße jetzt bequem in einem übermotorisierten Mietwagen und spielte Katz und Maus mit seiner Beute. Mit allerhöchstens zweitausend Kilometern auf dem Tacho und zurückhaltendem Jazz im Entertainment System würde eine Verfolgungsjagd wesentlich stilvoller ablaufen.
    Und eine Kennzeichenabfrage im Polizeicomputer würde auch nicht gleich einen arbeitslosen Expolizisten ausspucken. Gedemütigt zog ich mein Telefon aus der Tasche und wählte die Pannenhotline des ÖAMTC.

6
    »Starten Sie einmal.« Krugluger nahm einen Hammer und verschwand unter dem Motor.
    Ich saß in meinem Versagerauto, das zwei Meter über dem Werkstattboden schwankte und drehte den Schlüssel. Nichts passierte. Ich hörte ihn rhythmisch und hemmungslos gegen ein Motorteil schlagen.
    »Weiter, noch mal.«
    Ich startete. Der Motor sprang an und schnurrte unschuldig.
    »Abstellen«, überschrie er den Lärm, den einer seiner Gesellen mit einer funkensprühenden Trennscheibe erzeugte.
    Ein Gemisch aus Öldämpfen und Reifengummiduft drang herein, als die Hebebühne wieder sanft nach unten sank. Ich stieg schnell aus. »Was ist es?«, fragte ich.
    »Magnetschalter. Nicht schlimm. Bis morgen Nachmittag können wir’s richten. Passt Ihnen das?« Der Meister persönlich. Eine imposante Gestalt in fleckigem grauem Overall.

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