Gelegenheitsverkehr
Computerterminal. Die linken Fingernägel waren neongrün, die rechten orange.
Ich vermutete, dass in den Unternehmensrichtlinien die passende Farbe des Nagellacks geregelt war und Julia Schumann darauf pfiff. Neben der Tastatur lag eine offene Packung Kaugummi.
»Eine Kreditkarte, bitte«, sagte sie.
Ich stellte meine Tasche auf den Fliesenboden. Es schepperte blechern. Ich nahm mir vor, das Zeug in eine Decke zu wickeln und zückte meine Börse.
»Waffen und Munition vermutlich?«, sagte sie mit einem Grinsen.
»Nur Einbruchswerkzeug«, sagte ich und sah ihr an, dass sie ernsthaft in Erwägung zog, dass ich die Wahrheit sagte.
Ich reichte ihr meine Kreditkarte und hoffte, dass das Limit noch zu gebrauchen war. Diese Besorgnis spürte sie wohl. Sie zog noch einmal eine Augenbraue hoch. War ich in ein Raster unerwünschter Prestigeklassefahrer gefallen?
»Wie lange benötigen Sie das Fahrzeug?« Sie hatte offenbar beschlossen, mir das Fahrzeug dennoch auszuhändigen.
»Ich weiß noch nicht genau. Sagen wir, erst mal zwei Wochen?«
»Dann sind Sie wahrscheinlich schon über alle Berge«, sagte sie verschwörerisch lächelnd.
Ich betrachtete unwillkürlich ihren kleinen Busen. Pointing device. Sie merkte es.
»Höchstens das Auto«, sagte ich ernst. Vielleicht würde sie mir auch noch etwas ganz anderes aushändigen, wenn ich sie darum bat.
»Nach Osten fahren geht sowieso nicht«, sagte sie. »Steht im Vertrag. Haftungsausschluss dazu?« Sie sah vom Bildschirm auf und nickte empfehlend.
»Unbedingt.« Es konnte ja wer weiß was passieren. Vielleicht dachte sie, ich wolle das Auto nach Polen bringen und benutzte die Gelegenheit, ihrem Arbeitgeber eins reinzuwürgen.
Wie ein Croupier blätterte sie mehrere engbedruckte Schriftstücke vor mich hin, die mit freiem Auge nicht lesbar waren. Seelenkaufvertrag. Würde noch viele Juristen glücklich machen. Nachdem ich meine Unterschrift unter jedes Einzelne gesetzt hatte, atmete sie auf, als ob sie die Luft angehalten hätte. Sie bückte sich und holte die Fahrzeugpapiere aus einer Lade.
Ich riskierte einen Blick hinter den Tresen. Schlanke Beine und fruchtiges Parfum statt Huf und Schwefelgestank. Knackige Figur.
Sie knallte die Lade zu und ließ ein Plastikmäppchen vor mich fallen. »Haben Sie genug gesehen oder soll ich auf dem Pult tanzen?«, fragte sie.
»Bitte nicht.« Ich schüttelte den Kopf und lächelte. »In Ihrem Fall führt schon der zweite Blick geradewegs in die Abhängigkeit.«
Ihre Stimme fiel um eine Oktave. »Wenn das der Fall ist, ersuche ich Sie um ihre Notfalltelefonnummer.« Sie legte einen kleinen Notizzettel hin, sah mir in die Augen und grinste unverschämt.
Ich kritzelte meine Nummer hin.
»Der Wagen steht gleich vor der Tür. Vielen Dank und gute Fahrt«, wünschte sie mir.
Als die Glastür hinter mir zufiel, betätigte ich die Funkfernbedienung. Die Positionslichter eines neuen Mercedes begrüßten mich. S 500. Schwarz. Ich hätte vielleicht doch auf den Fiesta warten sollen. Dieser Schlitten hätte gut ins Hafenbecken gepasst. Panzerkreuzer Potemkin. Ich warf meine Tasche auf den Rücksitz, stieg ein und mühte mich ab, das Ding aus der Parklücke zu steuern. Hoffentlich überschätzte ich Frau Amras’ Liquidität nicht. Vorsichtig kroch ich davon. Kapitän Kant auf großer Fahrt.
*
Poldi hatte sein Büro in einem zwölfstöckigen Gebäude, das wie ein schroffer Wehrturm an der Ecke des ausgedehnten Behördenkomplexes in der Nietzschestraße stand. Wir hatten vor einer Stunde telefoniert und vereinbart, dass ich ihn abholen sollte. Ich parkte in der blauen Zone neben dem bewachten Einfahrtstor und ging hinein.
Lange, krankhaft saubere Flure, auf denen jede Begegnung die Rangordnung widerspiegelte. Zellenähnliche enge Räume mit Nebenwirkung auf den eigenen Horizont. Die Beamten entweder in Uniform oder einer subtileren Einteilung folgend: Fußvolk salopp, Anzug für die Führungskräfte. Von Unterbezahlung, Stress und öffentlichen Anfeindungen in eine sich selbst gleichschaltende Zwangsgemeinschaft getrieben.
Wie ein Jahr Abstand die Perspektive veränderte.
Stolz präsentierte Poldi seine Privatsphäre. Großer Schreibtisch, kleiner Safe, Besprechungsecke, Flipcharts. Für Bundesdienstverhältnisse geradezu verschwenderisch geräumig. Die Aussicht reichte über das Fußballfeld und die Industrieanlagen hinweg zur Donau und den grünen Hügeln in der Ferne. Hinter dem Zellentrakt des Polizeianhaltezentrums landete
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