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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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fürs Pinkeln. Verglichen mit vergangenen Observationen der pure Luxus. Die genaue Ankunftszeit der Mihaela wusste ich nicht, deshalb hatte ich am Sonntag regelmäßig ihre Position auf der Live map überprüft und auf dem Bildschirm beobachtet, wie sie stetig näher rückte. Ich hatte geträumt, dass ein Supertanker auf Miami zuraste, den Bug hoch aus dem Wasser erhoben, wie ein drogenschmuggelndes Schnellboot. Das hatte mich derart beunruhigt, dass ich mich noch im Dunkeln auf den Weg gemacht hatte. Ich gähnte und streckte mich.
    Neben einem dicken Schlauchanschluss mit einer Tafel »Trinkwasserentnahme nur für Schiffsbesatzungen« war meine Feuerleiter. Die erste Sprosse hatte einen Klimmzug erfordert, der Rest nur festhalten und einen Fuß über den anderen setzen. In einen ausgewaschenen blauen Overall gehüllt, war ich noch vor der Morgendämmerung aufs Dach geklettert, als ob das mein täglich Brot sei. Auf meinem Rücken stand in verblassenden Buchstaben »Facility Service«. Um vier war ohnehin niemand dagewesen, dem ich hätte auffallen können. Keine Lichter, keine Geräusche. Oben war ich über einen Blitzableiterdraht gestolpert, aber alles war ruhig geblieben.
    Die Minuten krochen dahin. Keine Spur von anlegenden Schiffen. Die Fahnen und Wimpel auf dem Mast vor dem Zollgebäude flatterten heftiger. Von Osten her schob sich eine graue Wolkenfront näher. Zwei große Gabelstapler brummten zu den Ukrainern und begannen, sie zu entladen. Erste Tropfen fielen. Ich holte eine dünne Regenjacke aus meinem Rucksack und zog sie an. Leider war das bereits der Höhepunkt meiner Schlechtwettervorsorge. Meine Beine wurden besprenkelt und sahen kurz aus wie blaues Leopardenfell. Dann saugten sich die Jeans unter dem Overall gierig mit Regen voll. Der Wind strich kühl darüber und ich nieste unterdrückt. Nichts, was eine lange, heiße Dusche nicht beheben konnte. Wenigstens einen Pullover hatte ich an.
    Ich ließ meine Blicke über das Wasser schweifen. Warum machte ich das überhaupt? Geheimagent spielen und mir hier über den Dächern den Tod holen? Ich dachte an den Zwischenfall im Wettcafé. War das Reizvolle die stete potenzielle Gefahr, in die ich mich begab? Ich wusste, dass ich gerne Indianer spielte und es nie beim Spielen blieb. Dass ich das genoss, gestand ich mir höchst selten ein. Ich machte einfach weiter.
    Eine große Möwe zog einen Kreis über mir, landete gekonnt auf einem Entlüftungsrohr und starrte mich an. Ich hob rechtfertigend die Schultern. Die Möwe hüpfte einen Schritt ins Leere, breitete dann erst ihre Schwingen aus und flog kreischend davon. Ich war soeben Zeuge eines ornithologischen Kavalierstarts geworden. National Geographic würde Aufnahmen davon fürstlich entlohnen und ich bräuchte nicht mehr auf Dächern hocken. Kleine Pfützen hatten sich gebildet und überschwemmten Moos und Vogeldreck.
    Wollte ich überhaupt als Privatdetektiv arbeiten? Ermitteln und Spurenverfolgen und ratlos Grübeln machte ich, als ob ich nichts anderes gelernt hätte. Oder konnte ich das einfach am besten? Und wenn das so war, war das nun gut oder schlecht? Je nach Perspektive. Koryphäe oder gescheiterte Existenz.
    Tuckernde Motorengeräusche rissen mich aus meinen Gedanken. Durch ein kleines Fernglas beobachtete ich, wie die Mihaela gemächlich heranfuhr. Hafenarbeiter in dicken Jacken zerrten an Stahlseilen und machten sie längsseits an den Pollern fest. Fast elf Uhr. Na endlich. Gegrübel vertreibt Wartezeit. Sie sah aus wie auf den Fotos. Hundert Meter lang, schwarzer Rumpf, ein paar lange Antennen, die im Wind wippten, eine Satellitenschüssel, ein Beiboot, zweimal Radar. Blau-gelb-rote Flagge. Ich spürte Erleichterung, dass ich nicht umsonst hier saß. Auf dem Gleis, das das Hafenbecken säumte, rollte ein Kran heran.
    Den Nachmittag über wurde die Mihaela gelöscht. Plastiksäcke mit Kunstdünger auf Paletten stapelten sich auf dem Kai. Ein Schiff, das so hoch aus dem Wasser ragte, dass ich die Ziffernmarkierungen auf dem Rumpf sehen konnte, manövrierte sich vor die Bleiberg. Die Alabaster legte ab. Nach fünfzehn Uhr herrschte wieder Kaffeepausenstille. Auch der Regen hörte auf.
    Am frühen Abend fuhr ein weißer Kleintransporter mit Planenaufbau auf den Hof des Gebäudes neben meiner Lagerhalle. Zwei Männer stiegen aus und öffneten einen blauen Frachtcontainer, der dort abgestellt war. Auf dem Wellblech stand »Cho HoShipping«. Dann rangierten sie das Heck des Transporters vor die

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