Gelegenheitsverkehr
höchstens ein paar Millimeter Platz. Er ließ sich auch nicht verschieben. Vielleicht doch kein Versteck. Ich öffnete die linke Schiebetür nochmals und leuchtete hinein. An einer Stelle schimmerte die Rückwand etwas sauberer und heller als der Rest. Abgegriffen. Ich klopfte sacht dagegen und drückte. Sie bewegte sich ein Stück nach rechts. Ich steckte einen Finger in den entstandenen Spalt. Die Rückwand ließ sich verschieben wie eine zweite Tür.
Dahinter stand eine schwarze Sporttasche aus Nylon. Tief befriedigt hob ich sie heraus. Mister Bloderer war einfach zu faul, jedes Mal den Inhalt des Kastens aus- und einzuräumen, wenn er sein Versteck befüllte. Ich sah auf die Uhr. Dreiviertelzwölf. Knapp. Ich stellte die Tasche im Wohnzimmer auf den Boden und öffnete sie.
Zwei dicke Banknotenbündel. Eines mit Hundertern und eines mit Fünfzigern. Leicht zehntausend Euro. Drei deutsche EU-Pässe mit einer gelben Haftnotiz, auf die »Lavallon + Jurcic: Gavril.« geschrieben war. Ich blätterte die Pässe durch. Niemand hieß Lavallon, Jurcic oder Gavril. Keine Einreisestempel, keine Visa. Ich knipste meine Taschenlampe an und ließ den Lichtstrahl über die Seite mit dem Foto wandern. Adler, Sechseck und Sterne, D für Deutschland. Auch das Passfotodoppel erschien an der richtigen Stelle. Das Wasserzeichen war gut erkennbar. Wenn das Fälschungen waren, dann recht gute. Poldi würde sehr daran interessiert sein.
Und eine Jausendose aus Plastik. Ich öffnete die Dose und nahm drei Kunststoffbeutel heraus. In einem waren weitere Ziplocbeutelchen mit weißem Pulver drin. Im nächsten befanden sich mit Heftklammern verschlossene Plastiksäckchen mit krümeligem graugrünem Zeug. Kokain und Marihuana. Der letzte Beutel enthielt Folien mit roten, blauen und grünen Tabletten auf denen jeweils Wellenlinien, Kreise und Pluszeichen aufgedruckt waren. Wie auf den Testkarten für außersinnliche Wahrnehmung. Für jeden etwas.
Bloderer, du Hund, hast du das von der Mihaela geholt?
Ein leiser Gong drang an meine Ohren und ich hörte, wie sich die Lifttüren öffneten. Jemand schlurfte vor die Tür.
Ich erstarrte. Schlüssel ins Schloss hieß, ich würde alles in die Tasche stopfen und mich bei der ersten Gelegenheit damit aus dem Staub machen. Mit Glück würde Bloderer kurz weggehen, um Werkzeug oder Hilfe zu holen, wenn er meine Keile nicht überwinden konnte.
Die Nachbarstür wurde geöffnet und wieder zugeschlagen. Entwarnung.
Ich startete die Kamerafunktion meines Telefons und schlug die Pässe auf. Plötzlich begann es zu zirpen. Bettina. Ich wies den Anruf ab und versuchte es noch einmal. Es zirpte wieder. Also gut. »Ich rufe dich … «
»Ich wollte dir nur ganz kurz was sagen«, rief sie. Verkehrslärm mischte sich in ihre Worte. »Du wirst es nicht glauben.«
»Bettina, ich bin gerade … «
»Ich muss gleich wieder weg. Du erinnerst dich doch noch an Eva und Bernhard?«
Dunkel. »Ja«, sagte ich, um das Gespräch nicht unnötig hinauszuzögern. Der Dicke? Hatte sie mit dem einmal etwas gehabt?
»Die sind gerade zusammengezogen, stell dir vor. Damit hat wirklich niemand gerechnet.«
»Aha.« Ich sah auf die Uhr. Zwölf Uhr fünfzehn.
»Weißt du, wo sie jetzt wohnen?«
»Nein.« Unter das Gummiband eines Geldbündels war ein gefaltetes Blatt Papier geschoben. »Wo denn?«
»Das errätst du nie.«
»Sag es mir bitte«, flehte ich und zog das Papier heraus.
»Im neunten Bezirk. Genau dort, wo wir auch einmal hinziehen wollten. Ist das nicht ein Zufall?«
Wann hatten wir dort hinziehen wollen? Wir waren mit unseren eigenen Wohnungen vollauf zufrieden gewesen.
»Ein wunderschöner Altbau mit Parkett und hohen Räumen. Sie suchen gemeinsam Fliesen fürs Bad aus. Bernhard will eine möglichst große Duschkabine.«
»Aha«, sagte ich. Eine Excelliste. »Super.« Vielleicht konnte ihnen ja Bloderer einen Tipp geben. Zwölf Uhr siebzehn.
»Wolltest du nicht auch immer ein großes Badezimmer?«
Es tutete leise. Das hieß, mein Akku wurde langsam leer. »Bettina, weißt du … «
»Jaja, ich seh schon, dich interessiert das nicht … « Motorengeräusche wurden lauter und überlagerten den Rest des Satzes. Dann wurde es still. Anruf beendet.
Mist. Ich musste sie nachher zurückrufen.
Auf der Liste waren Namen und Telefonnummern. Franz Richter stand darauf.
Allerdings war der Name durchgestrichen.
Halb eins. Bloderer konnte jeden Moment in der Tür stehen. Ich fotografierte die Liste und
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