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Gelegenheitsverkehr

Gelegenheitsverkehr

Titel: Gelegenheitsverkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Sander
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eine gute Wohngegend. Bloderer wohnte in einem ockerfarbenen dreistöckigen Altbau, der sich wie ein überdimensionierter Vierkanter auf die Straßenzüge gesetzt hatte. Eine Allee alter Bäume trennte den breiten Gehsteig von der Straße. Vor der Fassade war ein Rasenstreifen. Das schmucke Gebäude hatte schon ein paar Renovierungen hinter sich. Die geschwungenen Torbögen an den Ecken waren mit Stahlgitter-Upgrades versehen, um Voyeure und Kindesentführer vom grünen Innenhof fernzuhalten.
    Ich roch an meinem Arbeitsmantel und war ganz froh um den Wind. Vielleicht sollte ich meine Verkleidungen wieder einmal waschen.
    Auf dem blank geputzten Messingtableau klingelte ich sicherheitshalber bei Bloderer. Keine Antwort. Gut. Dann versuchte ich mein Glück bei Madersperger.
    »Ja, bitte?«, tönte die brüchige Stimme einer älteren Frau aus der Türsprechanlage.
    »Linz AG Strom. Ich muss zum Zählerkasten. Lassen Sie mich rein, bitte?«
    Für den Fall, dass Frau Madersperger misstrauisch aus dem Fenster lugte, kramte ich in meiner ledernen und ziemlich ramponierten Werkzeugtasche, nahm verknitterte Zettel heraus, studierte sie, und stopfte sie wieder hinein. Sogar ein paar Kabel ragten heraus. Authentische Elektrikerperformance.
    Mantel und Werkzeugtasche hatte ich vor zwei Jahren aus einem kleinen Linz AG Lieferwagen gestohlen. Amtshilfe quasi.
    Der Türöffner surrte und ich drückte die schwere Haustür auf. Frau Madersperger wollte keinen Blackout riskieren.
    Ich ignorierte den nachträglich an der hofseitigen Wand installierten Glasaufzug und benutzte die Treppe. Die Stufen und das Geländer waren aus dickem Holz, das nach jahrzehntelanger Bohnerwachsimprägnierung roch. Im Halbstock standen Topfpflanzen am Fenster. Ich riss ein Efeublatt ab und stapfte weiter, bis ich im dritten Stock vor zwei einander gegenüberliegenden Wohnungstüren stand. Gutes Material. Stabile Rahmen, Sicherheitsschlösser, keine Briefschlitze.
    Mit etwas Spucke klebte ich das Efeublatt über den Türspion von Bloderers Nachbar. War viel unverdächtiger als Klebeband. Würde lange genug halten, um ungesehen die Tür knacken zu können und nach Spucketrocknung automatisch zu Boden fallen. DNA im Stiegenhaus machte mir auch keine Sorgen.
    Ich verharrte still und lauschte. Nur Staubsaugergeräusche aus dem unteren Stockwerk. Sonst Ruhe und Frieden.
    Bloderers Tür hatte einen massiven Schutzbeschlag und darüber ein Zusatzschloss. Ich wettete, dass es nicht versperrt war. Ein paar Wochen nach dem Einbau ließ der Zusperrfanatismus immer nach. Ich zog Vinylhandschuhe an und kramte eine elektrische Pick Gun aus den Tiefen der Tasche. Das Klackern war nur unwesentlich lauter als die Staubsaugergeräusche. Ich war nicht mehr in Übung und brauchte fast eine ganze Minute dazu. Eine lange Zeit in einem feindlichen Stiegenhaus. Ich drehte das Schloss mit dem Spanner. Die Tür ging auf. Bloderer hatte sie nur ins Schloss fallen lassen und nicht versperrt. Sehr leichtsinnig von ihm.
    Ich trat ein, machte die Tür sanft zu und wartete zwanzig Sekunden. Gut gedämpfter Straßenlärm. Kühlschrankbrummen aus der Küche. Schlecht gelüftet. Dagegen war mein ungewaschener Arbeitsmantel Ambrosia.
    Ich packte meine Utensilien in die Tasche, stellte sie auf den Boden und zog blaue Kunststoffüberzieher aus der Intensivstation über meine Laufschuhe.
    Von einem langen Gang zweigten links und rechts Türen ab. Großzügig angelegt. Sicher nicht billig. Ich eilte von Raum zu Raum, öffnete alle Türen und vergewisserte mich, dass die Wohnung leer war und Bloderer nicht etwa eine Freundin im Erschöpfungsschlaf zurückgelassen hatte. Dann klemmte ich als Überraschungsverhinderung zwei Kunststoffkeile unter die Wohnungstür und begann mit dem Stöbern.
    Vollausgestattete Küche mit Esstisch, neuen Siemens Geräten und High-Tech-Kaffeemaschine. Ich sah in alle Schränke, Fächer und Schubladen. Power bars und Kilodosen mit Proteindrinks. Muscle diet für Bodybuilder. Auf der Innenseite eines Schranks klebte ein Zettel, auf dem das Mischungsverhältnis von Eiweißpulver und Wasser stand. Daneben war ein Stundenplan, wie man ihn beim Schulsacheneinkaufen an der Kassa bekam:
    Mo 18-20 Brust Rücken. Di 18–20 Schulter Arme. Mi 18–20 Rücken Brust Bauch. Do 18–20 Beine Waden.
    Motiviert, aber monoton. Am Freitag und am Wochenende hatte er frei.
    Ein mannshoher Kühlschrank mit Eiswürfelbereiter, Bier, Energy Drinks und plastikverpacktem Putenfleisch. In

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