Geliebt, begehrt, verwoehnt
Hintertür auf und zog die schlammbedeckten Gummis tiefel aus.
Der Geflügelverhau war immer matschig, und jetzt nach dem Unwetter war es noch schlimmer als sonst. Er hatte sich lange abmühen müssen, um ein rebellisches Bantamhuhn einzufangen, und sogar schon mit dem Gedanken gespielt, es einfach seinem Schicksal und damit dem Fuchs zu überlassen, der nachts auf Beutefang ging. Dann hatte jedoch seine Sorge um das Wohl des -
Tieres gesiegt, und es war ihm endlich gelungen, es zu seiner eigenen Sicherheit einzusperren.
Er fror und hatte Hunger, und wegen des Treffens mit dem Alpakazüchter am Nachmittag war er nicht dazu gekommen, das Chili zuzubereiten, das er an diesem Abend hatte essen wollen. Er hatte noch eine Menge Büroarbeit vor sich, die er nicht gern erledigte. Vielleicht machte er sich das Leben unnötig schwer, indem er sich weigerte, sich einen Computer anzuschaffen. Während er die schmutzigen Stiefel abstreifte, beobachtete er Melly dabei, wie sie ratlos in den offenen Kühlschrank blickte.
"Es ist ja alles noch roh", stellte sie irritiert fest. Sie war sehr hungrig und hatte erwartet, dass sie wenigstens eine Tiefkühlpizza zum Aufbacken vorfinden würde. Natürlich hatte sie nicht mit einer fertigen Gourmetmahlzeit gerechnet, wie sie in einem Londoner Restaurant serviert wurde.
Sein Gesicht nahm einen missbilligenden Ausdruck an. "Was haben Sie denn erwartet? Sie sind auf einem Bauernhof, nicht im Supermarkt. Wir befinden uns hier am Anfang der Nahrungskette, nicht am Ende", teilte Finn ihr trocken mit.
"Aber man muss die Sachen alle erst kochen", wandte Melly ein. Sie sah ihn so vorwurfsvoll an, dass er sie am liebsten gepackt und geschüttelt hätte.
"Natürlich muss man sie kochen. Das hier ist kein Restaurant. "
Zu seiner Verwunderung schlug sie die Kühlschranktür zu und trat einen Schritt zurück. "Ich habe doch keinen Hunger", sagte sie kühl.
"Das glaube ich gern. Sie sehen aus, als ob Sie sich von ein paar Blättern überteuertem Radicchio am Tag ernähren", erwiderte Finn unfreundlich.
Melly konnte nicht sagen, was sie mehr ärgerte - dass Finn ihre Figur nicht gefiel oder dass er sich über ihren Lebensstil lustig machte. Woher wusste ein Bauer wie er überhaupt, dass Radicchio in den Londoner In-Restaurants der Modesalat der Saison war?
"Auch wenn Sie nichts essen wollen, ich habe Hunger." Er ging an ihr vorbei, um die Kühlschranktür zu öffnen.
Melly spürte seine Körperwärme. Ihr fiel auf, wie durchtrainiert sein Oberkörper war. Was war nur los mit ihr? Sie gehörte eigentlich nicht zu den Frauen, die sich für Muskeln interessierten oder beim Anblick eines starken Mannes schwach wurden. Sein Gesicht war sehr markant. Dafür würde ein männliches Fotomodell einem Schönheitschirurgen ein Vermögen zahlen, dachte sie ein wenig boshaft. Auch wenn es nur in Gedanken war, sie wollte es Finn gern heimzahlen, dass er ihr gefiel. Er war so maskulin, und sie wunderte sich, wie ein Mann mit dunkelbraunem Haar so helle blaue Augen haben konnte.
"Haben Sie es sich anders überlegt?" hörte sie ihn fragen.
"Was? Ich?" Sie war völlig verunsichert. Wie konnte er ahnen, dass sie gerade dabei war, ihre Meinung über ihn zu ändern? Auf den ersten Blick war er überhaupt nicht ihr Typ gewesen. Jetzt konnte sie nicht verhindern, dass sie ihn auf einmal doch attraktiv fand.
"Sie sehen so hungrig aus. Möchten Sie nic ht doch etwas essen?" hakte er nach.
Melly errötete. Ihr wurde klar, dass Finn die ganze Zeit vom Essen gesprochen hatte. Er konnte unmöglich wissen, dass sie sich auf einmal zu ihm hingezogen fühlte. Sie interessierte sich gegen ihren Willen für einen Mann, den sie kaum kannte und den sie gar nicht hatte kennen lernen wollen. Sie verstand selbst nicht, wie sie plötzlich so empfinden konnte. Aber als sie und Finn sich an der offenen Kühlschranktür gegenüberstanden, wurde sie von so verwirrenden Gefühle durchflutet, dass ihr beinah ein wenig schwindelig wurde. Sie war sich seiner Nähe überdeutlich bewusst. Schockiert über die erotischen Bilder und Fantasien, die sich in ihr Bewusstsein drängten, schüttelte sie den Kopf.
Entschlossen versuchte sie, die unschicklichen Gedanken zu vertreiben, deren Kühnheit sie erschreckte.
Nie zuvor hatte sie sich solche Dinge vorgestellt oder erträumt. Sie hatte bis heute nicht das Bedürfnis gehabt, sich derartigen Fantasien hinzugeben. Sie versuchte, ruhig zu atmen. Doch sogar die Luft schien auf einmal wie
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