Geliebt
Blut des Rehs durch ihren Körper floss. Wie neugeboren.
Noch während sie ihren Durst gestillt hatte, waren die Schmerzen langsam abgeebbt, bis sie sich stärker fühlte als je zuvor. Sie hatte das Gefühl, die ganze Welt würde ihr gehören.
Caleb war letzte Nacht ebenfalls auf der Jagd gewesen. Als sie sich danach wiedergetroffen hatten, waren sie beide absolut beschwingt gewesen, aber gleichzeitig auch sehr müde. Schließlich hatten sie sich auf den Waldboden gelegt, in die schwankenden Bäume aufgesehen und dem Rauschen des Windes gelauscht.
Innerhalb kürzester Zeit waren sie beide fest eingeschlafen.
Jetzt schob sie sich zentimeterweise näher an ihn heran, um auszuprobieren, wie sich das anfühlte. Sie trug immer noch seinen Ledermantel, dessen Ärmel bis zu ihren Fingerspitzen reichten. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und streichelte mit dem Handrücken seine Wange; sie war ganz glatt und weich. Caitlin stellte sich vor, sie wären ein Paar.
Plötzlich hörte sie in der Nähe ein Rascheln und setzte sich abrupt auf.
Direkt vor ihnen war ein Rudel Wölfe aufgetaucht und pirschte sich langsam näher heran. Da sie noch nie einem Wolf begegnet war, hatte sie keine Ahnung, wie sie reagieren sollte. Seltsamerweise fürchtete sie sich nicht. Stattdessen war sie völlig fasziniert und wie hypnotisiert. In gewisser Weise fühlte sie sich den Wölfen sogar merkwürdig verwandt.
Langsam streckte sie die Hand nach Caleb aus und schüttelte ihn leicht.
Alarmiert schreckte er aus dem Schlaf auf. Das Wolfsrudel kam immer näher und war jetzt nur noch wenige Schritte entfernt. Schnüffelnd umkreisten die Tiere Caitlin und Caleb.
»Hab keine Angst«, sagte Caleb leise. »Ich kann ihre Gedanken spüren. Sie sind bloß neugierig. Verhalte dich einfach ganz ruhig.«
Caitlin blieb still sitzen und beobachtete, wie der Anführer auf sie zukam, die Nase hob und beinahe ihre Wange berührte.
Angespannt fragte sie sich, was sie jetzt tun sollte. Ihr Herz pochte heftig, und am liebsten hätte sie den Wolf weggestoßen. Stattdessen befolgte sie Calebs Anweisung und rührte sich nicht.
Plötzlich drehte der Wolf sich um und spazierte davon.
Sofort folgten die übrigen Wölfe seinem Beispiel.
Alle außer einem. Ein kleiner Wolf – noch ein Welpe, der kaum größer war als ein kleiner Hund – zögerte und blieb zurück. Er hinkte ein wenig und sah dem Rudel nach. Dann drehte er sich um, blickte Caitlin an und kam direkt auf sie zu.
Unvermittelt sprang er auf ihren Schoß und senkte den Kopf. Offensichtlich wollte er nicht mit den anderen gehen.
»Es ist ein Weibchen, das von seinem Rudel verstoßen wurde«, erklärte Caleb. »Sie wollen sie nicht mehr bei sich haben, weil sie verletzt ist. Sie stellt eine Belastung dar, und die anderen sind zu hungrig, um Geduld zu haben. Deshalb haben sie sich von ihr abgewendet.«
Angestrengt versuchte Caitlin, sich zu konzentrieren und die Gedanken des Tieres zu lesen, wie Caleb es tat. Es gelang ihr nicht ganz, aber sie spürte die Energie und die Gefühle des kleinen Wolfes. Er war sehr einsam und hatte Angst.
Caitlin hob ihn hoch und nahm ihn in die Arme. Als sie seinen Kopf streichelte, leckte das Tier ihr das Gesicht ab.
Sie lächelte.
»Du hast eine neue Freundin«, meinte Caleb.
»Können wir sie mitnehmen?«, fragte sie.
Nachdenklich runzelte Caleb die Stirn.
»Das wäre keine gute Idee«, erwiderte er schließlich. »Der Geruch … könnte andere Dinge anziehen.«
»Aber wir können sie doch nicht einfach sich selbst überlassen«, sagte Caitlin bittend. Ihr Beschützerinstinkt war auf einmal erwacht.
»Dort, wo wir hingehen, wird es sehr gefährlich werden. Sie könnte zwischen die Fronten geraten.«
»Wäre sie hier denn nicht in Gefahr?«, fragte sie. »Sie würde sterben, wenn wir sie allein lassen.«
Erneut dachte Caleb nach.
»Das stimmt. Gut, ich denke, wir können sie mitnehmen …«
Als hätte das Tier ihn genau verstanden, rannte es zu Caleb, sprang auf seinen Schoß und leckte ihm das Gesicht.
Caleb grinste breit und streichelte das weiche Fell des Wolfes. »Okay, okay, es reicht, du kleiner Kerl«, wehrte er ihn lachend ab.
»Wie sollen wir sie nennen?«, fragte Caitlin.
»Ich habe keine Ahnung.«
Plötzlich hatte sie eine Idee. Die Rose und der Dorn.
»Rose, wir können sie Rose nennen.«
Zustimmend nickte Caleb. »Rose«, wiederholte er. »Ja, das klingt perfekt.«
Als würde sie bereits auf ihren neuen Namen hören, kehrte Rose zu
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