Geliebte der Nacht
den Urheber des Geräuschs. Allerdings war es kein Hase, es war ein Junge, der erschrak, als er Merphan sah, wie dieser auf ihn zielte.
»Ich will nur nachhause«, sagte das Kind mit zitternder Stimme.
»Wo lebst du?«, fragte Merphan.
»Mein Vater ist der Graf dieser Ländereien«, erwiderte der Bube.
»So? Dann sollte ich dich nachhause bringen, damit dir nichts geschieht«, meinte Merphan und senkte den Bogen.
»Komm her, ich tue dir nichts.« Er lächelte das Kind ermutigend an.
Aydan war eingeschüchtert von diesem Mann, aber entschloss sich, ihm zu vertrauen. Mit großen Schritten näherte er sich dem Herrn und kam an seine Seite.
»Wie bist du in den Wald gekommen mein Sohn?«, fragte Merphan.
»Ich bin fortgelaufen«, gestand der Junge. Merphan nickte und legte seine Hand auf die Schulter des Kindes.
Anschließend drückte er zu, blockierte so einen Nerv des Buben und dieser sackte zusammen. Er hatte, was er brauchte, um James zu schaden.
Der Hase war vergessen. Merphan hob ihn hoch und trug ihn zur Felsengrotte, in der er und Emilia hausten.
»Emilia ich habe Besuch mitgebracht«, verkündete Merphan zufrieden.
Sie kam aus dem hinteren Teil der Höhle nach vorn und sah Merphan an, der den Jungen im Arm hielt.
»Wer ist das?«, fragte sie überrascht.
»Das … ist der Sohn des Grafen«, antwortete er.
»Aydan«, stellte sie fest und musterte das Kind.
Sie fand ihn wunderschön, wie seinen Vater, und streichelte seine Wange.
»Werde nicht sentimental, er wird uns ein paar gute Dienste erweisen und am Ende, wie seine Eltern, sterben«, meinte Merphan genervt, als er die Emotionen seiner Schwester sah.
»Bereite die Fesseln vor«, befahl er danach und ging tiefer in den Stollen. Emilia folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl. Den Grafen sollte man nicht unterschätzen und nun, wo sein Sohn entführt war, würde er sicher fuchsteufelswild werden.
»Glaubst du, dass er ein Gestaltwandler ist?«, fragte sie ihren Bruder.
»Ja, aber ich glaube, dass es noch niemand weiß. Wir finden es noch heraus«, lachte er finster.
Emilia bereitete die Seile und Ketten vor, seit dem Tag im Holzkeller trug sie dabei stets Lederhandschuhe.
Merphan brachte, den noch immer bewusstlosen, Aydan und sie banden ihn fest.
»Wirst du ihm wehtun?«, flüsterte sie.
»Wahrscheinlich«, gab er emotionslos zurück.
~ James & Cassandra ~
»Aydan ist weg«, schallte es durch das Herrenhaus. Cassandra hatte das leere Bett vorgefunden und sofort geschrien. James kam herbeigestürzt und sah sich überfordert um.
»Du hast ihn nicht richtig festgemacht«, warf sie ihm vor.
»Doch, die Seile saßen so fest wie immer«, verteidigte er sich. Er schaute sich abermals um. Das Fenster war zerbrochen.
»Wir müssen ihn suchen«, stellte Cassandra fest. »Ich werde Bastien zu Caleb und Barbara schicken, damit sie uns helfen«, meinte James.
»Ja, bitte tu das.«
Caleb und Barbara waren fünf zuvor nach Avabruck gekommen und hatten sich dort niedergelassen. Die Bedrohung durch Tariya und Mira war gebannt, die durch die Bruderschaft ebenfalls und nun lebten sie in Frieden. Bis heute.
James wusste nicht, ob Aydan bloß fortgelaufen, oder entführt worden war.
Cassandra verließ das Gemach und rannte in ihres. Dort holte sie ihre alte Robe hervor. Lederhose, Hemd und Corsage. Sie hatte diese Stücke seit Jahren nicht getragen, hatte darauf gehofft, es nie mehr zu tun. Nun war es an der Zeit wieder die Jägerin zu werden, Spuren zu lesen und ihren Sohn zu finden. Eilig verschwand sie hinter dem Paravent und begann sich des schweren Kleides zu entledigen. Anschließend zog sie Oberhemd und Hose an, zuletzt folgte das lederne Korsett.
Zwei Stunden später erreichten Barbara und Caleb das Herrenhaus und wurden von Esra in den Salon geführt. James saß bereits in Lederhose und Wams auf dem Sofa. Cassandra in ihrer Jägerkutte. »Was ist geschehen?«, fragte Caleb.
»Aydan ist verschwunden«, antwortete James besorgt.
»Er kommt doch sicher von allein nachhause«, meinte Barbara. »James band ihn am Bett fest, wie zu jedem zunehmenden Mond und heute Morgen fanden wir sein verwaistes Gemach«, erwiderte Cassandra.
»Dann sollten wir uns schleunigst auf die Suche nach ihm begeben«, schlug Caleb vor.
»Ich habe Bastien von euch aus weiter zu Julamine und den anderen Werwölfen geschickt. Ich hoffe, dass sie uns bei der Suche helfen werden«, sagte James.
»Das werden sie bestimmt, dennoch sollten wir aufbrechen«, gab Barbara
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