Geliebte des Schattens - Kenyon, S: Geliebte des Schattens - Seize the Night (Dark Hunter 07)
bekommen.«
Er schnaubte nur. »Wohl kaum. Eines kann ich dir versichern - neben meiner Familie sind die Borgias etwa so gefährlich wie Ozzie und Harriet.«
Sie legte den Kopf schief. »Für einen Mann, der sich rühmt, hochanständig und überkorrekt zu sein, kennst du dich erstaunlich gut mit den Legenden der frühen Fernsehgeschichte aus.«
Er erwiderte nichts darauf.
»Und wie viele Brüder hattest du?«
Im ersten Moment wollte er die Frage nicht beantworten, doch die Worte kamen aus seinem Mund, ehe er es verhindern konnte. »Bis vor ein paar Jahren dachte ich immer, ich hätte vier.«
»Und was ist dann passiert?«
»Ich habe herausgefunden, dass Zarek auch mein Bruder ist.«
Tabitha runzelte die Stirn. »Zu deinen Lebzeiten wusstest du nichts davon?«
Die unschuldige Frage löste eine Mischung aus Schuldgefühlen und Wut in ihm aus. Er hätte es wissen müssen. Wenn er sich je die Mühe gemacht hätte, ihn genau anzusehen, solange sie noch menschlich gewesen waren.
Andererseits war er der Sohn seines Vaters.
»Nein«, antwortete er traurig. »Ich wusste es nicht.«
»Aber du kanntest ihn.«
»Er war Sklave in unserem Haus.«
Sie sah ihn schockiert an. »Trotzdem ist er dein Bruder?«
Er nickte.
Tabitha war ebenso verwirrt, wie er es in der Nacht
gewesen sein musste, als er davon erfahren hatte. »Wie ist es möglich, dass du nichts davon wusstest?«
»Du verstehst die Welt nicht, in der ich gelebt habe. Manche Dinge stellte man einfach nicht infrage. Wenn mein Vater etwas sagte, war das die Wahrheit. Wenn mein Vater das Wort ergriff, war es Gesetz. Man sah die Bediensteten nicht an, und Zarek … in dieser Zeit sah man es nicht.«
Tabitha spürte den Schmerz, der wie eine Woge durch ihn hindurchströmte, und legte mitfühlend ihre Hand auf seinen Unterarm.
»Was tust du da?«, fragte er.
»Ich stehe neben dir, damit Zarek dich nicht mit einem weiteren Blick strafen kann. Du sagtest doch, dass er Unschuldigen nichts tut, oder?«
»Ja.«
Sie lächelte. »Dann nenn mich deinen persönlichen Schutzschild.«
Valerius lächelte unwillkürlich und berührte ihre Hand. »Du bist eine wirklich seltsame Frau.«
»Stimmt, aber allmählich wachse ich dir ans Herz, stimmt’s?«
»Ja, das tust du.«
Ihr Lächeln wurde eine Spur breiter. »Tja, ehe du dich versiehst, magst du mich noch.«
Das Problem war, dass er sie schon jetzt mochte. Und zwar mehr, als er sollte.
»Was machen wir jetzt?«, fragte er, als sie ihn von der Decatur in Richtung Iberville und damit aus der Gegend wegführte, wo sie Gefahr liefen, auf Schritt und Tritt jenen zu begegnen, die einen Groll gegen ihn hegten.
»Tja, es ist noch früh, deshalb dachte ich, wir checken
mal kurz die Gegend, bevor wir für eine intensivere Suche ins Abyss gehen, einen Klub, in den du ohne mich unter Garantie nie einen Fuß setzen würdest. Dort treiben sich viele Apolliten herum, und ich habe schon so einige Daimons in dieser Gegend plattgemacht.«
»Ist das einer der Klubs, die Acheron aufsucht?«
»Ja, aber da er ja auf den Friedhöfen unterwegs ist, werden sich die Daimons wohl eher dort versammeln, wo sie glauben, sie seien sicher vor ihm.«
Das klang einleuchtend.
Tabitha führte ihn zum Magnolia Café.
»Hast du etwa schon wieder Hunger?«, fragte er ungläubig, als sie das Restaurant betrat.
»Nein.«
»Was tun wir dann hier?«
»Mach dir keine Sorgen«, wiegelte sie ab, trat an den Tresen und bestellte fünf Mahlzeiten zum Mitnehmen.
Staunend sah Valerius sich im Restaurant um, das die meisten Leute wohl als »gemütlich« bezeichnen würden - kleine Tische mit rot-weiß karierten Tischdecken und Stühlen, wie man sie in einem normalen Wohnhaus vorfand.
Es war definitiv kein Restaurant, in dem Valerius essen würde, und schien auch nicht Tabithas Geschmack zu entsprechen.
Schließlich nahm Tabitha die Tüte mit dem Essen und trat auf die Straße hinaus.
Neugierig folgte Valerius ihr.
Seine Neugier verflog jedoch schlagartig, als sie eine enge Gasse betrat, die Tüte mit dem Essen auf den Boden stellte und ihn am Arm fortzog. In der Dunkelheit hörte er das Tappen von Füßen.
»Du bringst den Obdachlosen etwas zu essen«, stellte er leise fest.
Sie nickte.
»Machst du das häufiger?«
»Jeden Abend um diese Zeit.«
Er sah sie an. »Wieso?«
»Jemand muss es doch tun.« Als er etwas erwidern wollte, legte sie ihm die Finger auf die Lippen. »Ich kenne all die Argumente, Val. Weshalb sollen sie arbeiten, wenn Leute
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