Geliebte des Sturms - Croft, S: Geliebte des Sturms - Riding the Storm - ACRO Series, Book 1
obwohl er es wusste.
»Der Hagel!«, fauchte sie, vermutlich erbost, weil ihr ganzer wissenschaftlicher Schwachsinn überhaupt nichts erklärte. »Nach dieser Info ist die nächste Sturmzelle mehrere Meilen entfernt.« Sie wandte sich zu einem tragbaren Radargerät, das gar nicht tragbar wirkte. Wie zum Geier hatte sie das Ding hier hereingeschafft? »Immerhin zeigt mein Radar ein beträchtliches Echo direkt über uns an, und wenn ich eine Programmschleife einschalte …« Sie drückte auf eine Taste. »Dann erkennt man, dass sich dieses Echo fast sofort gebildet hat.«
Ja, allerdings. Interessant. Noch nie hatte er Beweise für seinen Einfluss auf das Wetter gesehen.
»Draußen steigt der Luftdruck, die Temperatur sinkt, der Wind frischt auf und weht einen Hagel heran, den es hier gar nicht geben dürfte.« Auf Haleys kleiner Wetterstation blinkten sämtliche Geräte.
Verdammt, wie reizvoll sie war, wenn sie sich aufregte, wenn sie ständig ihr Haar aus dem Gesicht strich und auf ihre Unterlippe biss. Sie haute etwas in die Tasten. Dann schaute sie nach oben zum Dach, auf das immer noch Hagelkörner prasselten.
So plötzlich, wie er das Unwetter gestartet hatte, bereitete er ihm ein Ende, weil sein Magen knurrte. »Hast du nicht gesagt, du willst was zu essen machen?«
»Essen?« Sie beugte sich zum Radar hinab, ihr Blick schweifte zwischen dem Gerät und der Wetterstation hin
und her. »Wie kannst du ans Essen denken, wenn …« Verwirrt hielt sie die Luft an. »Jetzt hagelt es nicht mehr. Es hat viel zu schnell aufgehört, das ist unnatürlich.«
»Vorhin habe ich die geheimnisvollen Dinge erwähnt, die hier passieren, und für die es eben keine Erklärung gibt.« Remys Magen knurrte wieder, diesmal laut genug, so dass sie es hörte.
»Was hier geschieht, weiß ich nicht.« Sie wandte sich ihm zu. »Aber ich werde es herausfinden.« Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Morgen. Wenn alle Daten da sind und ich mich ausgeruht habe. Klar, wir müssen was essen. Und wahrscheinlich sollte ich noch ein bisschen aufräumen.«
Zum ersten Mal schaute er sich um, ein ernüchternder Anblick. Im Wohnzimmer und in der Küche waren vier von den fünf Fenstern zerbrochen. Während er geschlafen hatte, musste Haley Ordnung gemacht haben. Sogar die armseligen Spitzengardinen hatte sie wieder aufgehängt, die fünfundzwanzig Jahre lang so grauenhaft gewesen waren - wenn nicht noch länger. Sie hatte die Bilder an den Wänden gerade gerückt, nasse Bücher und Papiere in einer Ecke gestapelt und den Abfallhaufen bei der Tür noch vergrößert.
So schlimm war es hier noch nie gewesen. Aber wenn draußen ein Gewitter getobt hatte, war er noch nie im Haus geblieben. Sogar seine Teamkameraden hatten es aufgegeben, ihn im Quartier festzuhalten. Denn sie hatten schon bald bemerkt, wie schnell ein Gewitter nachließ, sobald er für fünf Minuten ins Freie gerannt war. Außerdem hatten es einige Jungs auf die harte Tour lernen müssen, dass es besser war, Remy nicht gewaltsam aufzuhalten, wenn er vom Sturmfieber gepackt wurde.
Aber das hier - das sah wirklich furchtbar aus. Er holte tief Atem, es war jener Brandgeruch, den er nach solchen Episoden immer roch - eine Kombination von Hickoryholz und Zimt, nicht unangenehm, nicht widerlich süß, einfach nur stark. Normalerweise mochte er dieses Aroma, weil es stets das Ende eines Unwetters ankündigte. Aber dieses Mal erzählte ihm seine Haut, die immer noch prickelte, etwas anderes.
Haley rieb ihre Wangen. Dann nickte sie, als hätte sie soeben eine Entscheidung getroffen, und holte den Besen, um den Abfallhaufen zur Hintertür hinauszufegen.
An den Kühlschrank gelehnt, schüttelte Remy den Kopf.
»Vergiss es. Das Zeug kannst du nicht rausfegen.«
»So kann ich es nicht lassen. Im Generator gibt’s fast kein Benzin mehr. Und wir wollen doch nicht im Dunkeln über den Haufen stolpern, wenn wir zur Tür gehen.«
»Benutzen wir doch die Vordertür.«
»Wozu das Getue, Remy?«
»Du kannst das Zeug nicht zur Tür hinauskehren. Nicht heute Nacht.« Jetzt hörte er sich komplett wie der Freak an, der er nun einmal war. Aber was sollte es, manches war eben angeboren, das wurde man niemals los. »Hör mal, das ist ein alter Cajun-Aberglaube, okay? Nach Einbruch der Dunkelheit darf man keinen Dreck zur Tür hinausfegen.«
»Warum nicht?«
»Weil es Unglück bringt.« Er beobachtete, wie sie die Lippen zusammenpresste, um ein Lächeln zu unterdrücken.
Das schaffte sie nicht.
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