Geliebte Fälscherin (German Edition)
er verlegen, obwohl sie bezweifelte, dass er zu so einer Gefühlsregung überhaupt fähig war. „Eine Pension ist nicht nötig, Miss Laurent. Mr DePaul und ich haben uns darauf geeinigt, dass Sie hier bei mir wohnen, bis er eintrifft.“ Sein Blick wanderte die Treppe hinauf. „Und bei meiner Mutter natürlich. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“
Claire war überhaupt nicht erpicht darauf, mit diesem Mann irgendwohin zu gehen, und wog ihre Möglichkeiten ab. Schließlich folgte sie ihm widerwillig die Treppe hinauf. Der Wohnbereich des Gebäudes war geräumiger, als sie gedacht hätte, und genauso stilvoll, wenn nicht sogar noch eleganter als der Laden unten. Die Broderick-Transportgesellschaft schien wirklich gute Geschäfte zu machen.
Sie folgte Samuel Broderick dem Zweiten durch den Flur zu einem Zimmer am anderen Ende. Er schob die Tür auf und trat vor ihr ein.
Sie berührte das Schloss an der Tür und stellte fest, dass es kaputt war.
„Ach ja.“ Er trat näher. „Das wollte ich reparieren. Ich werde das gleich morgen erledigen.“
Claire nickte und trat einen Schritt zurück, um den Abstand wiederherzustellen. Dabei fuhr sie mit der Hand über einen Stuhl mit kräftiger, gerader Rückenlehne, der genau unter den Türgriff passen würde. Aber das Bett … Im Geiste kuschelte sie sich schon unter die Decke. Das Bett sah wunderbar aus.
„Mr DePaul hat mir erzählt, dass Sie eine begabte Künstlerin sind. Und dass Ihre Arbeiten …“ Sein Tonfall enthielt einen Anflug von Belustigung. „… sehr gefragt sind. DePaul schien es nicht erwarten zu können, dass Sie wieder anfangen zu malen. Er sagte, mehrere Anfragen lägen bereits vor. Wenn Sie fertig sind …“ Seine Miene wurde verschwörerisch. „… werden Ihre Bilder den weiten Weg aus Europa gekommen sein und natürlich mit Echtheitszertifikaten hier eintreffen.“
Claire schaute ihn an, als sie hörte, wie ihr Verdacht in Bezug auf Papas und Onkel Antoines Absichten bestätigt wurde. Sie ahnte – wenigstens teilweise – welche Rolle Broderick bei der ganzen Sache spielte. Er fälschte die Transportdokumente. Das war ein wichtiger Teil ihrer Geschäfte, wie sie wusste.
Aber sie nahm sich erneut vor, dass die Männer solche Geschäfte in Zukunft ohne sie machen müssten.
„Ich hoffe, Sie fühlen sich hier wohl, Miss Laurent.“ Mr Brodericks Blick wanderte über sie und erwärmte sich auf eine Weise, bei der ihr die Nackenhaare hochstanden.
Da sie ihn zu keinen weiteren Gesprächen oder zu irgendetwas anderem ermutigen wollte, richtete Claire sich auf und versuchte, selbstsicherer zu wirken, als ihr zumute war. „Ich bin sehr müde, Mr Broderick. Ich denke, ich werde mich jetzt schlafen legen.“
Er warf einen Blick auf die Wanne, die in der Ecke stand. „Ich kann Ihnen gern ein Bad einlassen, wenn …“
„Nein danke. Das ist nicht nötig.“
„Dann vielleicht morgen früh.“ Er lächelte. „Falls Sie noch irgendetwas benötigen, egal, was es ist, brauchen Sie mir nur Bescheid zu geben. Mein Schlafzimmer ist gleich auf der anderen Seite des Gangs.“ Er deutete mit der Hand darauf. „Und ich habe einen leichten Schlaf.“
Claire wünschte, sie hätte eine andere Unterkunft, und beschloss, sich am nächsten Morgen als Erstes eine neue Bleibe zu suchen. „Danke, Mr Broderick. Ich habe alles, was ich brauche.“
Claire schloss die Tür und legte ihre Handtasche auf die Kommode. Sie schaute sich nach ihrer Reisetasche um, dann atmete sie seufzend aus und knirschte mit den Zähnen. Sie hatte sie unten neben dem Schreibtisch stehen lassen.
Nachdem sie mehrere Herzschläge lang gewartet hatte, öffnete sie die Tür einen kleinen Spaltbreit und dann noch einen, um auf den Gang hinauszuspähen. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, ihrem Gastgeber wieder über den Weg zu laufen.
Auf dem Flur war es leer und sie war schon fast bei der Treppe, als sie Stimmen hörte. Sie zögerte, bevor sie schnell an einer offenen Tür vorbeihuschte und betete, dass man sie nicht sähe.
Sie kam sich ein wenig albern vor, weil sie auf Zehenspitzen die Treppe hinabschlich, als tue sie etwas Unrechtes. Ein Lichtschein von draußen erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie blieb einen Moment stehen und schaute aus dem Fenster.
Die Gaslampen, die beide Seiten der Straße säumten, brannten hell. Die Flammen flackerten orangegolden in dem Rauchglas. Das sah vor dem rötlichen Hintergrund der Abenddämmerung sehr hübsch aus. Dieser Anblick weckte in ihr
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